laut.de-Kritik
Die Musterschüler erteilen Post Metal-Unterricht.
Review von Manuel BergerKommt Kinder, Unterrichtsbeginn! Heute auf dem Stundenplan: Post Metal. Was fällt euch dazu ein? Nun, wer traut sich? Keiner? Na, schön, nicht weiter schlimm. Wie ihr seht, haben wir heute drei Gäste: Brian, Dave und Mike. Sagt hallo. Brian, Dave und Mike spielen in einer Band. Sie heißt Russian Circles. Sie werden euch heute etwas über Post Metal beibringen.
Lektion 1: "Asa". Der Opener führt ruhig in die Atmosphäre des Albums ein. Auf Englisch nennt man das "setting the mood". Wir haben uns hier für eine sachte Einleitung entschieden: Über Meeresrauschen perlen ruhige Gitarrenarpeggios, für zusätzliche Tiefe flirren im Hintergrund zarte Harmonien. Wir träumen uns an einen fernen Ort, surreal, fremdartig, friedvoll. Doch hört: Dort braut sich etwas zusammen!
Lektion 2: "Vorel". Aus den sanften Wogen erhebt sich Dave am Schlagzeug. Sein Erscheinen entwickelt das Szenario weiter. Er lenkt den Blick auf die dunklen Wolken am Horizont. Sie kommen näher. Die Wellen schlagen höher, der Donner ist schon zu hören! Als Stilmittel bieten sich hier wilde Tom-Eskapaden an. Hört ihr den einsetzenden Bass-Groove? Das Gewitter ist nah. Brian könnte es kaum deutlicher machen. Mike peitscht den Sturm an der Gitarre, vereint Himmel und Ozean zu einem einzigen reißenden Strom.
Lektion 3: "Mota". Erste Sonnenstrahlen wagen sich wieder auf das beruhigte Meer. Genießt ihr die Ruhe? Freut euch nicht zu früh. Das Wetter legt gern falsche Fährten. Durch die tackenden Synthesizer schiebt sich schon wieder Brians Bass of Doom. Die zuvor an Sólstafir oder God Is An Astronaut erinnernde Stimmung weicht einem zweiten, verheerenderen Unwetter. Findet ihr nicht auch, dass der letzte Abschnitt die perfekte Grundlage für Black Metal-Krächzen böte?
Lektion 4: "Afrika". Wir erwachen aus unserer Ohnmacht. Wir liegen auf einer Planke, abgetrieben im Ozean. Doch der Anblick, der sich uns bietet, ist unvergleichlich. Die Natur verliert ihre Schrecken, zeigt sich in erhabener Schönheit. Mike untermalt das hervorragend auf seiner Gitarre. Episch. Doch Regel Nummer eins: Behalte immer die Tiefe unter dir im Auge. Dort entfesselt sich gerade ein Strudel, der droht, dich nach unten zu ziehen!
Lektion 5: "Overboard". Tja, die Planke ist weg. Aber das macht nichts. Wir sind am Leben und da ist er wieder, der Anblick. Die eben noch so zerstörerische Band betätigt sich als Harmoniestifter. Hört mal: Sogar ein Schellenkranz scheppert mit! Am Ende tummeln sich noch ein paar Reverse-Töne.
Lektion 6: "Calla". Der erste Teil der Geschichte ist fertig erzählt. Da darf man die bisher stets erfolgten nahtlosen Übergänge auch einmal zugunsten eines herben Bruchs absetzen. "Calla" schielt wieder gen Black Metal. Und, boah, ist der Mittelteil abgründig! Ahab lassen grüßen. Mike hält mit seinen unruhigen Melodieriffs alles zusammen, während Drummer Dave darum herum wütet. Und Brian? Klar, der bildet wie immer den Kern. Massiv.
Lektion 7: "Lisboa". Erteilen wir zum Schluss noch einmal eine Lehre in Sachen dynamischer Steigerung. Zähfließend bauscht sich der Titan immer weiter auf, bis er schließlich erschöpft in sich zusammensackt und nurmehr für ein letztes Aufbäumen all seine Kräfte mobilisiert.
Tja, liebe Kinder: Was Post Metal nun genau ist, wissen wir zwar immer noch nicht. Dafür hatten wir ein wundervolles Beispiel, wie drei Musterschüler ihn veranschaulichen können. Pause!
5 Kommentare mit 5 Antworten
Nette story - über die Quallität des Albums hab ich jetzt aber leider nix mitnehmen können - außer: solide 4/5, keine großen Überraschungen.
Stimme Valle zu. Frage: Was soll diese Rezi? Hat Berger Urlaub im Laberland gemacht oder was? In Zukunft mach ich dann doch mal nen großen Bogen um seine Rezis.
Album ist super. 4/5 sind in Ordnung. Rezi ist egal, da Album super.
Bin ich froh, wenn die Sommerferien vorbei sind und der Berger wieder weniger Zeit hat. Wie lang geht sein Praktikum eigentlich noch?
Die Festeinstellung ist meines Wissens nach so gut wie im Kasten. Für das laufende Jahr sind noch einige Reviews geplant, die z. B. in den Kontext von Philo-Unterricht gerahmt werden ("Lieber Kinder, heute erklart euch Onkel Fler, was real ist").
Puh, vielleicht war es Tagesform (meine oder ihre) aber ich habe sie vorletzte Woche live gesehen und fand es eher zum schnarchen... Hab nicht bis zum Ende durchgehalten.
Bei deren letzten Auftritt (05/2015) hatte mich etwas gestört, dass Turncrantz es mit seinen Fills fast schon etwas übertrieben hatte und den Songs so insgesamt etwas an Dynamik nahm. Ich finde aber auch, dass "Memorials" nicht so nach vorne prescht wie es beispielsweise ein "Station" getan hat. Dafür ist es ultra-düster.
Bei "Guidance" empfinde ich das wieder besser, zumal die ersten vier Tracks auch richtig geil ineinander übergehen. Aber gemessen an den Einzelsongs gibt es sicher bessere Alben.
Vielleicht lag's ja daran?!?
Zuletzt auf dem Dunk-Festival in Belgien gesehen (zum vierten Mal). Da haben sie absolut zerstört, was aber auch dem unfassbar guten Sound geschuldet war. Eigentlich sind sie für mich schon immer ne sichere Bank gewesen.
Auf jeden.... Mir ist natürlich klar, dass ich auf hohem Niveau meckere.
Naja, ich muss zugeben der Sound war nicht perfekt in dem Club. Da geht bei so einer Band sicher einiges verloren...