laut.de-Kritik
Hier werden Takte ver- und (Sub-)Bässe aufgedreht.
Review von Matthias MantheEigentlich Unsinn, Wonky Music auf Platte unters Volk zu bringen. Abseits vom (sich zusehends anachronisierenden) Verkäufer-Standpunkt aus, mit Longplay die größten Gewinne und den Hörer in seiner Privatsphäre zu erreichen, entzieht sich die schottische Spielrichtung der Albumidee: Warum das Unformatierte, das den Sound ausmacht, unbedingt in den 40min-Rahmen zwängen?
Warp Records wird das natürlich kaum zugeben. Stattdessen fordert das UK-Label mit dem untrüglichen Gespür für den next hot shit gar "wiederholte Hördurchgänge", um "Glass Swords" angemessen würdigen zu können.
Wie schon Labelkollege und Glasgow-Nachbar Hudson Mohawke (mit dem er sich 2010 ein legendäres Duell im Berliner Berghain lieferte), legt Rustie auf dem Debüt jedoch einen Party-Flächenbrand, der jeder Album-Dramaturgie entsagt. Erzählerische Linearität als Longplay-Maßstab? Daran denkt der Mittzwanziger mit der Zelda-Referenz im Logo ja gar nicht.
Egal welchen der 13 Tracks man als Einstieg zu wählen beliebt, überall herrscht digitaler Exzess. Wo Justice dereinst den Indie-Electro-Floor mit Distortion und Bratz herrlich überluden, setzt die Wonky-Heroe eine UK Bass-Gegennote. Hier werden Takte ver- und (Sub-)Bässe aufgedreht, wird gebreakt und geglitcht, gegrimt und gecrunkt, in der Summe jedoch vergleichbar hedonistisch und genauso over-the-top Partymusik produziert.
Mit dem Tag Dubstep hatte Rustie ja eigentlich schon auf den EPs der letzten Jahre nur insoweit zu tun, dass seine Entwürfe stets einem Komplettistenanspruch genügten, also sämtliche Frequenzen abfuhren: Auf dessen Bass-Fundament baut der Glasgower frenetisch ravende Synth-Gerüste, die 8-Bit genauso wie 80er-Beat deklinieren können. Die Krone bilden hier Chipmunking-Vocals, da electrofunky Ratatat-Gitarrenlines. Oder was sonst so an Arcade/Eurodance/Kaputtnik-Trash durchs Netz gurgelt.
Damit stiftet Rustie wie Mohawke Produzentenidentität im Creative Commons-Zeitalter: Das Internet öffnet die Schatzkammern der Kultur für jeden. Nicht das Genius, die memetische Akkumulation existierender Sounds und Ideen macht den Star. Rustie und Hudson Mohawke geben die jüngsten Pioniere dieser Vergnügungssucht.
Dass ihr überberstender, grenzenloser, atemloser Hedonismus das Format Langspielplatte nicht braucht, beweist "Glass Swords" ausdrücklich. Als Track-Sammlung allerdings könnte dieses 'unnötige' Debüt dank des kompromisslosen Spielrauschs paradoxerweise der Vergänglichkeit ein Schnippchen schlagen.
4 Kommentare
manche tracks klingen fantastisch, während ich mir andere gar nicht geben kann, da die vocals und vor allem die effekte für die vocals einen schweren brechreitz bei mir verursachen.
Prodigy hat auch mal so angefangen mit den vocals.
Man muss es nur oft genug anhören, dann knallt das schon rein.
stark produziert und schlägt immer an der richtigen Stelle einen Haken.
Anfang etwas lahm, aber von den 13 Songs sind mindestens 3/4 ziemlich gut.
"Crystal Echo" erinnert mich irgendwie an eine Hintergrundmusik für cirby oder so ...
Gerade Flasback flasht am meisten, zwischendurch poppigere nummern (3, 4)