laut.de-Kritik
Mainstream für den Untergrund.
Review von Manuel Berger"Wanna know what I'm thinking?", fragt Ryan Keen gleich zu Beginn. Dann nimmt er den Hörer mit auf eine Reise durch seine Gedanken. Authentische Ehrlichkeit heißt die große Stärke des Singer/Songwriters. Man nimmt ihm jedes Wort ab, das er singt, jede einzelne Note, die er auf den Saiten seiner Gitarre anschlägt. Egal ob im perkussiven, leicht gezupften "See Me Now", dem (für Keens Verhältnisse) üppig arrangierten "Focus" oder der Closer-Ballade "When The Day Breaks".
Es erscheint immer schwieriger, aus der schier unerschöpflichen Flut an größtenteils gleich klingendem Singer/Songwriter-Nachwuchs die Perlen herauszufischen. Hat man dann endlich ein wirkliches Talent an der Angel, lautet die Devise: festhalten und ja nicht loslassen. Sonst reißt die nächste Welle den schönen Fang gleich wieder mit sich in die Tiefen des großen Liedermacher-Ozeans und gibt ihn niemals mehr frei.
"Room For Light" ist einer von den ganz großen Fischen. Ryan Keen surft auf seinem Debüt sämtlichen Konkurrenten einfach davon. Sogar der momentan fast unantastbare Ed Sheeran kann von dem 27-jährigen noch Einiges lernen. Vielleicht hat er das auch, als dieser für ihn Shows eröffnete. Außerdem teilte Keen die Bühne mit Leona Lewis, Sunrise Avenue und Newton Faulkner. Sogar in die legendäre Royal Albert Hall hat es der Engländer schon geschafft. Warum, erfährt man auf "Room For Light".
Bereits beim ersten Song "Know About Me" wähnt man sich irgendwo an einem einsamen, weiten Sandstrand. Die Augen geschlossen, die Füße angenehm im Wasser baumelnd, lauscht man den Geschichten, die Ryan Keen zu erzählen hat. Organische, lebendige Akustikgitarren tragen die durchdachten Stücke. Genau wie die ruhige, warme Stimme des Sängers, der in seinen Texten zwar nachdenkliche Töne anschlägt, dabei aber stets auf eine positive Essenz fixiert bleibt, ohne dabei auch nur annähernd in kitschige Gefilde abzudriften.
Neben aller Tiefsinnigkeit vernachlässigt der passionierte Surfer auch den Song selbst nicht. Bei "Skin And Bones" fällt es nicht schwer, sich ein Meer von Feuerzeugen und begeistert mitsingende Menschenmengen vorzustellen. Ebenso gut würde sich der Track im Abspann eines Hollywood-Films machen. Keen bietet massentaugliche Kompositionen, bei denen Underground-Fetischisten in Jubelschreie ausbrechen.
Wo Kollegen nur ein paar simple Akkorde schrubben, brilliert Ryan Keen mit fast schon virtuoser Technik. Er slappt, er poppt, flitzt über das Griffbrett und missbraucht den Korpus als Cajon. Während seine Finger beschäftigt sind, webt seine Stimme feine, verästelte Vokalnetze darum herum.
Sind die Songs an sich zwar schon um ein Vielfaches besser, als das, was die Pop- und Singer/Songwriter-Szene derzeit weithin zu bieten hat, hebt insbesondere die hervorragende Produktion "Room For Light" auf das nächste Level. Das gesamte Album zeichnet ein unglaublich transparenter Klang aus. Jedes Instrument ist klar definiert, mal prägnant im Vorder-, mal zurückhaltend im Hintergrund.
Nichts ist zu viel, nichts ist zu wenig, dynamische Finessen offenbaren sich, heben Fragmente aus der Dunkelheit ans Licht. Die Lieder haben zu jeder Zeit genügend Raum, um sich zu entfalten. Selten passt das Wort "Klanglandschaften" so gut wie hier. "Room For Light" fleht förmlich nach Kopfhörern! Den gesamten Aufnahme- und Produktionsprozess – in einem Londoner Gartenhäuschen – berappte Keen übrigens aus eigener Tasche. Zur Seite stand ihm nur der befreundete Jazzpianist und Produzent Patrick Wood.
"Room For Light" ist ein rundum gelungenes Album, das tatsächlich nur knapp an der Höchstpunktzahl vorbeischrammt. Dafür fehlt schlicht ein Quäntchen mehr Außergewöhnlichkeit. Aber wirklich auszusetzen gibt es an dieser bärenstarken Platte nichts. "Room For Light" hat die Songs, die Texte und den Interpreten, um zu voller Größe aufzulaufen, und nicht zuletzt den Sound: Der fällt – gerade für ein Debütalbum mit eingeschränktem Budget – phänomenal aus.
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