laut.de-Kritik
Sezieren am lebenden Klangkörper.
Review von Sven KabelitzWas bleibt von Samaris übrig, wenn sie sich selbst von den meisten ihrer Trademarks verabschieden? Wie viel Faszination für die Isländer ging von ihrer Exotik aus?
Mit ihrem neuen Album verlässt die Band ihre Insel und landet mitten in unserem urbanen Leben. Jófríður Ákadóttir singt nun auf Englisch, Áslaug Rún Magnúsdóttis Klarinette findet kaum noch statt. Es bleiben Kári Steinþórsson Beats, zerbrechlich und fein wie ein chinesisches Teeservice.
Da wo "Samaris" und "Silkidrangar" noch schwärmerisch und weltverloren wirkten, ist "Black Lights" kalte Großstadt. Samaris führen durch die Fetzen einer kalten Partynacht. In der Erinnerung bleiben nur Momentaufnahmen zurück. Blicke aus dem Autofenster, vorbeirauschende Neonreklamen, sich aufbauende und verschwindende Hochhäuser, das sich im Fenster reflektierende Spiegelbild. Dunkel, hell, dunkel, hell.
Hält sich "Black Lights" in der ersten Hälfte noch an Songstrukturen fest, zerbröckeln die Soundlandschaften in der zweiten ("3y3", "In Deep") zunehmend. Sezieren am lebenden Klangkörper. Da von Ákadóttir nur noch ein Echo bleibt, ist spätestens hier komplett egal, ob sie nun in Isländisch, Englisch oder Suaheli singt.
Nun mehr "Art Angels" als "Vulnicura", zeigen sich Samaris in den beiden Eröffnungsnummern "Wanted 2 Say" und "Black Lights" so eingängig wie nie zuvor. Gerade in diesen Pop-Momenten wird Jófríðurs Absage an ihre Heimatsprache besonders deutlich. Zwei Lieder, die im Kontrast zu der bisherigen Arbeiten aufgeräumt und fokussiert erscheinen.
Leider halten Samaris auf "Black Lights" die Spannung zwischen Dancefloor, fesselnden Tracks und Experimenten nicht über die ganze Laufzeit aufrecht. Ihrem Heimatland entflohen, über die Welt verteilt und in Nebenprojekten verstrickt, erweitern sie zwar ihr Spektrum, verlieren dabei aber auch einen Teil ihres eigenständigen Charakters. Ihre Exklusivität geht ihnen auf ihrem zweiten Longplayer ein Stück weit verloren.
2 Kommentare
"Wanted 2 Say" und "Black Lights" sind richtig geil. Rest hab ich erst einmal gehört. Mal schauen.
Schade, dass Jofriður nun nicht mehr isländisch singt. So klingt es noch mehr wie Björk, Portishead, Mazzy Star, Bat for Lashes oder My Brightest Diamond. Alle toll, aber braucht man davon noch mehr?
4/5