laut.de-Kritik

Pizza, Popel, Pipi, Post-Ironie.

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Gefühle, Popel, Pizza und Pipi. Hingerotzt, lustig gereimt, mit viel Scheißegalité und vermeintlicher Unbekümmertheit: Ach, was haben wir Schnipo Schranke alle geherzt, als sie 2014 mit dem Song "Pisse" von Hamburg aus ums Eck kamen. Ein Jahr später gabs das Debütalbum "Satt", Lobeshymnen erklangen, auch hier. "Auf jeden Moment des Augenzwinkerns folgt brutale Erkenntnis: So ist es nun mal mit der (körperlichen) Liebe – sie ist vergänglich, eklig, peinlich und wunderschön", schrieb Kollege Wesselkämper und gab vier Punkte.

Jetzt liegt zwei Jahre später die zweite Platte von Daniela Reis und Friederike "Fritzi" Ernst vor: "Rare" macht ziemlich genau da weiter, wo "Satt" aufgehört hat. Genau das ist das Problem: Jeder Witz nutzt sich irgendwann ab. Bei Schnipo Schranke scheint dieser Zeitpunkt recht nahe zu sein.

Nicht, dass die Songs auf "Rare" nicht geglückt wären, sie sind vielleicht noch etwas ausgefeilter, produzierter als auf dem Vorgänger. "Ich versink' in meiner Stulle und träum' von einer Haschischlulle / Ich bring' mich noch nicht um, ich habe noch Beschäftigung", heißt es in "Pimmelreiter". Der Überdruss, oh, der Überdruss, und dann ist auch noch die Scheißkatze tot, Mutter auf Entzug und Herr Schulz gleich tot wie der Vierbeiner.

Gelangweilt mit ein bisschen Gas im Magen, das raus muss, Oden an die Gleichgültigkeit, pessimistisch und tief unten ein bisschen gekränkt, da hilft immer noch Haschisch. "Wir sind Haschproleten, da hilft kein Haten und kein Beten / In megaweichen Schlafanzügen fliegen wir nach Rügen."

Die Hymne über den Stalker, "Gast", eine recht schwere Klavierballade, hält musikalisch, was das instrumentale Intro verspricht. "Ich bin hier, um dich zu ehren, willst du dich mit mir vermehren / Doch was immer ich auch tu, dein Fenster, das bleibt zu." Um Katzentod und den einsamen Geburtstag dreht sich "Wieder Alleine". Die Fame-Übersättigung und das Like-ADHS gibts in "Stars", die Überforderung mit der Aufmerksamkeit, die auf einen gerichtet wird, auf der "Murmelbahn".

Bei "Dope" wirkt der Witz zwar gekonnt erzählt, aber irgendwie schon etwas müde: "Mama ich hasse dich so sehr, ich mache Kapern in dein Müsli / Ich komm nicht mit zur Oma, aber richt ihr aus ein Grüßli / Ich wünsch' mich in den Knast / Mein Papi ist ein Spast / Er verbietet mir das Chatten auf MDMA-Tabletten."

"Immermehr" macht kurz den Anschein, ein trauriges Beziehungslied über Geben und Nehmen zu werden, aber bevor es zu ernst wird: "Du verzichtest auf mein Wohl / Weil ich das nicht vertrage / Auf Kokain und Alkohol / Und weil ich das sage."

Kurzum, Schnipo Schranke machen da weiter, wo sie aufgehört haben. Immer noch okay, aber ohne den Überraschungseffekt vom ersten Mal. Wird halt irgendwann wohl ein wenig ausgeleiert, das Ding mit der Post-Ironie.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Pimmelreiter
  3. 3. Wieder Alleine
  4. 4. Herr Schulz Ist Tot
  5. 5. Gast
  6. 6. Haschproleten
  7. 7. Stars
  8. 8. Murmelbahn
  9. 9. Dope
  10. 10. Ritter In Der Nacht
  11. 11. Immermehr
  12. 12. Sag Niemals Ihh

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