Porträt

laut.de-Biographie

Schnipo Schranke

Rotzigkeit und expliziter Realismus kennen manchmal kein Pardon. Und was mann darf, kann frau sowieso schon mindestens so lang. Das weiß Mainstream-Deutschland in Sachen geschriebenes Wort allerspätestens seit Charlotte Roches "Feuchtgebiete". Vom Nachbarzaun aus betrachtet, sind Schnipo Schranke das musizierende Äquivalent zu Roches Hauptcharakter.

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Genau wie die Autorin zielen die zwei Wahlhamburgerinnen nämlich auf einen authentischen Realismus. Benannt nach einer populären Mahlzeit - Schnitzel-Pommes-Mayo-Ketchup -, haben Daniela Reis und Fritzi Ernst vergleichbar viel Spaß daran, Intimhygiene und sonstige beziehungstechnische Randthemen in den Mittelpunkt zu rücken.

"Ich bin in dich verliebt, obwohl du echt voll beschissen aussiehst", heißt es etwa herrlich unverblümt im Dilettanten-Kammerpop von "Hässlich". "In meiner Unterhose ist braune Soße" anderswo. Zum großen Ausrufezeichen ruft die 2012 in Frankfurt initiierte Band wiederum 2014 mit dem überaus unterhaltsamen Lied "Pisse" aus.

"Du hast mir gezeigt, dass es egal ist, wenn man liebt / Schmeckt der Kopf nach Füße und der Genitalbereich nach Pisse", heißt es auf der ersten Single, die über die Deutschpop-Compilation der beiden Hamburger Indielabels Staatsakt und Euphorie, "Keine Bewegung", erstmals Verbreitung findet. Mit minimalem Setup aus Piano, Schlagzeug und Cello untermalen sie ihren amüsanten Mitsing-Diskurs. Erinnerungen an den Cabaret-Chanson der Dresden Dolls und den Abseitsrap von grim104 werden wach.

YouTube allerding sperrt das dazugehörige Video, weil darin ein wasserlassender Penis am Frühstückstisch zu sehen ist. Damit ist Schnipo Schranke die Aufmerksamkeit gewiss. "Ich bin doch nur ein Mädchen / Wenn auch unrasiert / Brauche Liebe, brauche Halt", geht das diskursive Spiel mit Geschlechterstereotypen weiter.

"'Pisse' ist uns einfach in die Tastatur geflossen. Unser Konzept war, ein druckvolles Lied zu schreiben, bei dem man einerseits lockerlassen, andererseits aber auch über Dinge nachdenken kann, die danebengehen", sagt das Duo im Intro-Interview. "Was wir in dem Lied beschreiben, haben bestimmt viele schon einmal erlebt – auch wenn das manchen Leuten nicht schmecken mag."

Schnipo Schranke - Rare
Schnipo Schranke Rare
Pizza, Popel, Pipi, Post-Ironie.
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In Sachen Gründungsmythos lassen Reis und Ernst wiederum den Nerd in sich toben: "Geboren wurden wir Zimmer an Zimmer im Puff von Paris. Es dauerte dann aber noch gute sechzehn Jahre, bis wir uns in der Kirche auf dem Klo beim Taggen kennengelernt haben. Fritzi schrieb 'Schnipo' nach ihrem Lieblingsgericht Spaghetti Bolognese, Daniela 'Schranke' nach dem Brett in unserem Kopf. Weil das zusammen nach einem geilen Bandnamen klang, haben wir angefangen, Musik zu machen."

Tatsächlich treffen die zwei vermutlich an der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst aufeinander. Dort studieren sie Cello bzw. Blockflöte. Der gemeinsame Umzug nach Hamburg erfolgt dann auch im Zuge der neuerstarkten deutschen Avantpopschule. Schnipo Schranke funktionieren schließlich nicht nur im "Feuchtgebiete"-Referenzsystem, sondern auch auf dem Klassenfoto neben Jolly Goods, Die Heiterkeit, Zucker, Trümmer oder Messer.

Schnipo Schranke mischen Diskurs, Trash und Chlamydien. Sie singen über Penetrationsfantasien mit Harry Potter und begeistern damit unter anderem Rocko Schamoni. Der entdeckt und hilft, Auftritte mit Nuclear Raped Fuck Bomb und HGich.T zu organisieren. Später steuern Ernst und Reis Hintergrundgesang zu einer Die Sterne-Platte bei und geht ins Locas In Love-Studio, um dort am 2014er Debütalbum "Satt" zu basteln, das dann aber erst im Herbst des Folgejahrs erscheint.

"Unser Plan ist, unter dem Medienradar durchzufliegen und dann die Bombe platzen zu lassen. Danach gehen wir mit alten und neuen Songs auf Tour, und schließlich wollen wir einander heiraten – im Puff von Paris." Selbst verorten sich Schnipo Schranke übrigens gar nicht so unpassend als Metapunk, Post-Schlager und Progressive Chanson.

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