laut.de-Kritik

An diesen Abend erinnert man sich garantiert.

Review von

Dass der Auftritt der Scorpions auf dem Wacken Open Air 2006 irgendwann auf DVD erscheint, war irgendwie klar. Erstaunlich ist in dem Zusammenhang eigentlich nur, dass dies erst Ende 2007 der Fall ist und nicht schon früher. Denn der Untertitel "A Night To Remember - A Journey Through Time" ist Programm und wurde den Fans wohl viel zu lang vorenthalten.

Schon Monate vor dem Auftritt waren diese dazu angehalten, auf der Homepage der Skorpione über die Songs abzustimmen, welche die Hannoveraner letztendlich spielen würden. Dabei ist eine sehr interessante Liste herausgekommen, bei der es wohl kaum einen wundert, dass eine Schnulze wie "Wind Of Change" nicht zu finden ist. Stattdessen kommen alte Gassenhauer wie "The Zoo", "We'll Burn The Sky" oder "Blackout" zum Zuge. Und - wer hätte es gedacht - die Scorpions haben sich für den Gig natürlich auch in Sachen Besetzungsliste was einfallen lassen.

Dass sowohl Uli Jon Roth als auch Michael Schenker und Herman Rarebell sich die Ehre geben, hat inzwischen wohl jeder mitbekommen. Wer aber nicht dabei war, kann sich das Spektakel nun auf Live-DVD zu Gemüte führen.

Ob er daran visuell seinen Spaß haben wird, sei mal dahin gestellt, denn die Kameraführung steht oftmals auf Anfänger-Niveau, die Schnitte kommen viel zu hektisch und unsauber, und wenn man eine Kamera erst mal scharf stellen muss, das Bild aber trotzdem verwendet wird, gehört der Regisseur an den Eier durch die Stadt gezogen. Die längsten Kameraeinstellungen und -fahrten sind tatsächlich noch auf das Publikum gerichtet. Von den verwackelten Handaufnahmen will ich erst gar nicht reden ...

In Sachen Sound gibt es allerdings kaum Grund zur Klage. Vor allem nicht für diejenigen, die endlich mal wieder eine echte Live-Aufnahme ohne Nachbearbeitung im Studio hören wollen. Verspieler, dünne Vocals, verstimmte Gitarren, hier ist alles live und unverfälscht. Allein für diese Authentizität zieh ich den Hut vor den alten Herren. nett anzuschauen sind die Konzerte der Band ja meistens.

Ist in dem Zusammenhang eigentlich irgendjemandem schon mal aufgefallen, dass Doro und Klaus in etwa dieselbe Art haben, sich auf der Bühne zu präsentieren und mit dem Publikum zu kommunizieren? Vor allem wenn es um jenes ansatzweise Gesinge bei vermeintlich wichtigen oder ergreifenden Stellen geht, das weder normales Sprechen noch anständiges Schreien darstellt.

Seis drum, die Scorps haben Spaß und Wacken sowieso. Fragt man sich anfangs noch, was Kläuschen immer vor dem Drumriser an der Seite macht (sieht so aus, als ob er noch ein paar Akten durchsieht), ist schnell klar, dass da wahlweise Tamburin oder Kuhglocke und jede Menge Drumsticks liegen.

Allerdings geht doch irgendwie der Witz flöten, wenn der Sänger auf einmal ein Bündel Drumsticks ins Publikum wirft. Außerdem bräuchte man auf den Regietürmen immer einen Scharfschützen, der Sängern direkt das Tamburin oder die Kuhglocke aus der Hand schießt, wenn sie so ein Ding auch nur anfassen. Oder er legt die Typen gleich um ...

Wer sich fragt, warum die Scorps Monitorboxen auf der Bühne haben, wenn sie In-Ear-Monitoring benutzen - das sind Teleprompter! Kennt man ja von Kiss oder Judas Priest, und scheint langsam in Mode zu kommen. Ist aber bei zwei Dutzend Songs auch entschuldbar, wenn man sicherheitshalber mal die Texte parat haben will.

Wie erwähnt, sind mit Uli Jon Roth und Michael Schenker zwei ehemalige, international bekannte Ausnahmegitarristen am Start, die sich aber seltsamerweise weitgehend bedeckt halten. Man fragt sich, warum das Gedudel von Roth bei "Pictured Life" stellenweise sehr deutlich zu hören ist und stellenweise gar nicht. Spielt der dann so im Nebel, dass sie ihn rausfaden oder setzt die Anlage da aus? Immerhin sind die teilweise schiefen Backing-Vocals unverändert belassen.

Ich habs vermutlich schon mal erwähnt, aber Drumsoli stinken gewaltig! Genau wie das Sologemurkse am Bass oder an der Klampfe (ohne sinnvolle Einbettung in einen Song) ist das oft nur langweilig, meist aber nervig. Tut mir leid, aber der Scheiß namens "Kottak Attack" ist überflüssig wie ein Hamster mit Ablaufstutzen. Solch eine holprige Doublebass bekommt auch der Bauer aus dem Nachbarort gebacken.

Eigentlich klar, dass auch Matze Jabs mit "Six String Sting" zeigen muss, wie schnell (aber stellenweise unsauber) er die Fingerchen übers Griffbrett jagen kann. Glücklicherweise beschränkt sich der Mann auf ein kurzes Intermezzo und leitet recht schnell in "Big City Nights" über, in dem sich die Spiel- und Gesangsfehler dafür inflationär häufen.

Nachdem zu "In Trance" die beiden Gitarristen wieder auf der Bühne stehen, gibt es noch Ravels "Bolero", zu dem Herman mit Minikit auf der Bühne steht, und sogar Schenker-Filius Tyson die Klampfe schwingen darf. Schenker-Senior macht dafür den Yoga-Heinz und reckt die Hufe in die Luft, während sich der Rest im Hintergrund einen Wolf jammt.

Wahrscheinlich ist ihm dabei mächtig viel Blut ins Hirn gerauscht, denn so schnell kommt der Scooter-Lookalike nicht mehr hoch. Und natürlich - schließlich hat man lang genug darauf gewartet - ist es soweit, und der Skorpion taucht auf. Coole Sache, aber auch hier bitte einen Genickschuss für den Kameramann!

Nach dem zwingend erforderlichen "Rock You Like A Hurricane" ist endgültig Schluss, und auch wenn man sich nicht unbedingt zu den beinharten Scorpions-Fans zählt, muss man doch zugeben; An diese Nacht wird man sich erinnern.

Trackliste

  1. 1. Coming Home
  2. 2. Bad Boys Running Wild
  3. 3. The Zoo
  4. 4. Loving You Sunday Morning
  5. 5. Make It Real
  6. 6. Pictured Life
  7. 7. Speedy's Coming
  8. 8. We'll Burn The Sky
  9. 9. Love 'em Or Leave 'em
  10. 10. Don't Believe Her
  11. 11. Tease Me Please Me
  12. 12. Coast To Coast
  13. 13. Holiday
  14. 14. Lovedrive
  15. 15. Another Piece Of Meat
  16. 16. Kottak Attack
  17. 17. Blackout
  18. 18. No One Like You
  19. 19. Six String Sting
  20. 20. Big City Nights
  21. 21. Can't Get Enough
  22. 22. Still Loving You
  23. 23. In Trance
  24. 24. Bolero
  25. 25. Ready To Sting
  26. 26. Rock You Like A Hurricane

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