laut.de-Kritik
Einmal ungeniert weinen mit Whitney Houston!
Review von Kai ButterweckWer schon einmal zu Gast auf einem Konzert des Wahl-New Yorker Songpoeten Scott Matthew war, der weiß, dass der bärtige Barde immer mal wieder gerne die eigene Jukebox anschmeißt, um diversen Dreiminüter-Erinnerungen der Vergangenheit Tribut zu zollen. Auf seinem neuen Album "Unlearned" kommen Freunde melancholischer Überklänge nun in den Genuss einer knapp einstündigen Komplettverneigung des Sängers mit dem unverwechselbar weinerlichen Timbre.
Gleich zu Beginn füllen sich beim Hörer die Tränensäcke, wenn Scott Matthew die Bläser-Pumpventile der Bee Gees-Zweisamkeit-Ode "To Love Somebody" in die Tonne kloppt und stattdessen die Akustische unter die Arme klemmt. Emotionen pur.
Aber es wird noch besser: Keine dreieinhalb Minuten später schiebt der Sänger das Piano ins Studio und haucht einem der wohl größten 80s-Klangverbrechen tatsächlich Leben ein ("I Wanna Dance With Somebody"). Scott Matthew begibt sich zu Beginn des Albums auf "Wiedergutmachungstour". Danke, dafür!
Doch der gebürtige Australier kümmert sich nicht nur um das Recyceln musikalischer Auweia-Altlasten, sondern wagt des Öfteren auch den Gang in den Olymp. So duelliert sich sein betäubendes Organ, eingebettet in ein musikalisches Kammer-Gewand, mit Alltime-Speerspitzen wie Roberta Flacks "Jesse", Nat King Coles "Smile" oder auch Neil Youngs "Harvest Moon".
Für eine Begegnung auf Augenhöhe braucht Scott Matthew nicht viel. Allein die berührende Stimmfarbe des Sängers versorgt jede Neuinterpretation mit ausreichend Gefühl, um dem Druck der Originale standzuhalten. Während der Sänger in konkurrenzlosen Gefilden singt, rollen im Background zarte Cello-, Percussion-, und Ukulele-Tupfer einen flauschigen roten Teppich aus. Dahinter stehen die Urheber Spalier und klatschen sich vor Freude die Hände wund.
So sollte es zumindest sein, denn selbst eingefleischte Anhänger von Künstlern wie Kris Kristofferson ("Help Me Make It Through The Night") oder Joy Division ("Love Will Tear Us Apart") dürften nach derart aufwühlenden Außenwelt-Huldigungen ihre Hüte ziehen. Wer schon immer einmal während eines Songs von Whitney Houston oder den Bee Gees hemmungslos weinen wollte, ohne dabei Gefahr zu laufen, Hohn und Spott aus der Nachbarschaft zu ernten, der sollte sich dieses Album ganz schnell in den Warenkorb legen.
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