laut.de-Kritik
Zwischen dramatischer Oper und bizarrem Zirkus.
Review von Adrian MeyerRund zwei Jahre nach seinem Debüt als Solo-Künstler hat sich Serj Tankian, SoaD-Frontsänger armenisch-libanesischer Abstammung, mit "Elect The Dead Symphony" einen persönlichen Traum erfüllt. In Auckland, Neuseeland verwirklichte er im März 2009 die in "Elect The Dead" angedeutete Nähe zur Oper und Klassik während eines einzigartigen Konzerts mit dem 70-köpfigen Auckland Philharmonia Orchestra.
Die Partituren stammen allesamt von Tankian selbst und wurden vom neuseeländischen Komponisten John Psathas pompös arrangiert. Ich bin nun wahrlich kein Klassik-Experte und verstehe wenig von klassischem kompositorischem Handwerk, doch alleine Partituren für 70 Instrumente zu schreiben, ist sicherlich eine beachtliche Leistung. Von Geigen, Waldhörner, Harfen, über Pauken, Glockenspiel und Xylophon, ja sogar bis hin zum einsamen, perfekt getimten Triangelschlag hat Tankian alles selbst auf Papier niedergeschrieben.
Bereits beim ersten Song "Feed Us" merkt man, wie sehr in Tankians Stimme Stolz und Freude über den Abend mitschwingt. In der beiliegenden Live-DVD sagt er gleich zu Beginn zur begeisterten Menge: "This is one of the most amazing concerts that I've ever been part of in my whole life!" Ergreifend, wie er mit geschlossenen Augen und einem Lächeln im Gesicht dem Orchester zuhört, während dieses seine eigenen Lieder spielt.
In den folgenden 55 Minuten eröffnen sich Tankians Lieder völlig neuen Dimensionen: erhaben, opulent, pompös - dann wieder überraschend minimalistisch, skurril und ans Komische grenzend. Tankians Bühnenpräsenz, Stimme und Mimik verwandeln das Konzert mal in dramatische Oper, dann wieder in aberwitzige Operette oder in bizarren Zirkus - etwa, wenn er zu "Lie Lie Lie" in höchstem Falsett und mit aufgesperrten Augen "La la la"-ht, nur um anschließend mit gequetschter Stimme "My baby, my baby, let me go" zu krächzen.
Bot Tankians Solo-Debüt für treue SoaD-Hörer keine besonderen Neuigkeiten, so sind die Orchesterversionen eine wahre Entdeckungsreise in den Gefilden von Tankians Musikverständnis. Vor allem die Singles "Sky Is Over" und "Empty Walls", aber auch "Honking Antelope" und der bisher unveröffentlichte Track "The Charade" funktionieren in Orchesterversion perfekt und sind - man möchte es kaum glauben - stellenweise fast besser als die Originale.
Zwar kann sein Singorgan dem eines professionellen Opernsängers kaum das Wasser reichen, dafür verhält die Stimme an manchen Stellen (beispielsweise bei "Elect The Dead") einfach nicht hundertprozentig. Dennoch ist es beeindruckend, wie er mit seinen Stimmbändern die Skalen auf und ab galoppiert, mal im höchsten Falsett, mal beinahe jodelnd, dann wieder leise melancholisch.
Etwas unklar ist, welche Zielgruppe Tankian für seine Metal-inspirierten Klassikkompositionen im Sinn hat. Will er Klassikfans die Welt seines Alternative-Metals näher bringen oder gar umgekehrt? Den beim Konzert in Auckland anwesenden (jungen) Tankian-Fans schien es jedenfalls deutlich zu gefallen. Gut möglich also, dass "Elect The Dead Symphony" bald auch in der Stube von Klassik-affinen Hörern auf dem Plattenteller liegt.
11 Kommentare
Was heißt hier "ehemaliger SoaD-Frontsänger"? Habt ihr die Hoffnung schon aufgegeben?
Wollt ich auch grad schreiben. Naja wird jedenfalls mal angehört.
"Ich bin nun wahrlich kein Klassik-Experte und verstehe wenig von klassischem kompositorischem Handwerk"???
Solche Leute schreiben Rezensionen. Unglaublich.
doppelwürg. er kann es einfach nicht mehr
Also so ein ganz klitzekleines bischen mehr Bumms bzw. Tempo(existiert ja durchaus auch in der Klassik) hatte ich schon erwartet, hatte wohl eher sowas wie ne Unplugged Version im Sinn, nach dem ersten Wundern, aber doch ein wirklich gutes Album.
Apropo, ist "nicht ihn nicht er" hier der neue Troll?