laut.de-Kritik

Der "young Hartmut Engler in 'nem Maybach" ist zurück.

Review von

"Es heißt Michael steht vorm Ende wie bei Jim Knopf / Große Pause, für euch Kinder bleib ich King Bob." 32 Monate sind seit seinem letzten Album "Dreams" vergangen, es gab den Split mit Ersguterjunge und den daraus resultierenden Fight zwischen Bushido und Arafat, wessen Künstler Shindy denn nun sei. Daher heißt das vierte Solowerk des Rappers bezeichnenderweise "Drama".

Wer nun auf offensives Namedropping und Kronzeugengeschichten aus der Berliner Unterwelt in Dauerschleife hofft, wird ein wenig enttäuscht sein. Shindy streut seine Abrechnung mit den Ex-Bossen eher durch die Blume ein. Bereits in der ersten Single "Dodi" dürften folgende Worte an Bushido adressiert gewesen sein: "Interessant, du hast Shindy gemacht / Mashallah, mach nochmal." In "EFH" kriegt Arafat einen Seitenhieb mit: "Vielen Dank an mein altes Label für die Chance / Die recorden da anscheinend nicht nur Songs."

Auch "Shoot" greift die Thematik auf: "Jeder mit 'ner Walther will an mein Brot – wie du / Jeder, der am Tisch saß, hofft auf meinen Tod – wie du." In "Rapsupertar" übt sich Shindy zudem einigermaßen in Realtalk, indem er reflektiert erklärt, dass das Leben als Rapper nicht nur positive Seiten zu bieten hat: "Ich wünsch dir viel Spaß, ohne deinen Bodyguard aus dem Haus zu gehen." Das war es im Großen und Ganzen auch schon mit der Aufarbeitung des Trennungsjahres. Allerdings hat das ehemalige Bushido-Protegé die Chance versäumt, mehr von seinem wahren Innenleben preis zu geben.

Ob er nicht wollte oder nicht durfte bleibt zwar ungewiss, zu Shindys Markenkern zählte es aber noch nie, sich in Sachen Beef zu positionieren. Der setzt sich vielmehr wie gewohnt aus einer überschüssigen Portion Arroganz-Attitüde, Oberflächlichkeiten und Marken-Namedropping vom Feinsten zusammen. Shindy trägt gleich in fünf Tracks eine Uhr von Patek, genehmigt sich ein "Raffaello" nach dem nächsten und wäscht sich die Hände mit "Ferragamo Tuscan Soap". Zudem hat er "griechische Vorfahren", fährt am liebsten "britische Sportwagen" und die "Garnelen werden serviert in einer Ananas." Shindys Lieblingsfarben? Weiß und "Babyblau".

Autos, Uhren, Kohle: Viel mehr erfährt man aus Shindys Leben nicht. Allerdings sind genau das die Statussymbole, um die sich im Hip Hop schon in den vergangenen 20 Jahren jede Menge drehte. Diesen Flavour bringt "Papi Pap" in vielerlei Hinsicht eindrucksvoll mit ein. "Drama" ist mit etlichen Referenzen an die 90er- und 2000er-Jahre gespickt. Shindy huldigt unter anderem 50 Cent, Tupac, Fabolous, Dr. Dre, Snoop Dogg oder DMX in seinen Lyrics. Auch für deutsche Veteranen hat er Liebe übrig: "Babyblauer Samt" in "Affalterbach" ist eine Anspielung auf Torchs einziges Soloalbum "Blauer Samt". In "Nautilus" droppt Shindy die Zeilen: "Alles was ich damals wollte: einmal Star und zurück / War es Pech, war es Glück, ich hab' jeden schon gefickt." Der Ursprung dieser Textpassage liegt bei den Massiven Tönen und ihrem Song "Chartbreaker (Einmal Star und zurück)" aus dem Jahr 1999.

Humor beweist Shindy, wenn er sich mit Persönlichkeiten aus Showbiz oder Wirtschaft vergleicht wie in "Bietigheim Sunshine": Shindy hat den "Wiedeking-Flow" und ist der "young Hartmut Engler in 'nem Maybach". Solche Lyrics erfrischen das ansonsten eher monothematische Themenfeld.

Auch 2019 darf auf einem Shindy-Album natürlich kein Lied über das ausschweifende Liebesleben des Michael Schindler fehlen. Nach "Liebeslied" auf "NWA", "Venedig" auf "FBGM" und "Heartbreak Hotel" auf "Dreams" widmet er den Frauen der Schöpfung nun "Honigtopf". Die autotunegeschwängerte Hook verleitet aber maximal zum Skippen. Am übermäßigen Einsatz von Autotune krankt auch "Babyblau".

Die drei Interludes hätte sich Shindy ebenso schenken können. Ein Erzähler versucht krampfhaft witzig die Entstehungsgeschichte von "Drama" zu skizzieren. Polizisten halten Shindy auf und der gibt Duschöl- und Dufttipps. Als Hörer holen einen die Skits eher aus dem Rap-Film, als dass sie auflockern. Als großes Kino erweist sich dagegen das Soundbild. Auch bei den Instrumentals findet sich seine Vision einer modernen Variante der in den 90er- und 2000er-Jahren typischen Boom Bap- und R'n'B-Beats. Ob "Try Again" von Aaliyah, "In Da Club" von 50 Cent ("Nautilus") "My Neck My Back2 von Khia in "MMM" oder ein DMX-Vocal-Sample in "Affalterbach": Gemeinsam mit Nico Chiara und OZ schusterte Shindy einerseits extrem druckvolle Beats zusammen, aber auch entspannte Töne, auch wenn der ein oder andere Soundteppich im Endmix etwas rough und unrund klingt.

Auch wenn zehn straighte Tracks gereicht hätten, ist "Drama" durchaus gelungen. Allein "Affalterbach" und "Nautilus" sind Hip Hop pur. Der Rapper prophezeite es selbst schon in "Dodi": "Gerüchteküche brodelt wieder, Mamma Mia! / Denn ich bring Michi back wie Fanta 4." Welcome back, Mister Arroganz!

Trackliste

  1. 1. Bietigheim Sunshine
  2. 2. EFH
  3. 3. Babyblau
  4. 4. Dodi
  5. 5. Oud Interlude
  6. 6. Raffaello
  7. 7. Affalterbach
  8. 8. Honigtopf
  9. 9. Playerhater Interlude
  10. 10. Nautilus
  11. 11. Babygirl
  12. 12. Drama
  13. 13. MMM
  14. 14. Shoot
  15. 15. Rapsuperstar Interlude
  16. 16. Rapsuperstar

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Shindy

"Du hast dich zum Freestyle-MC gekrönt, Fard, aber jede Frau erliegt meinem Olivenöl-Charme", gibt ein geschniegelter Halbgrieche mit zu großer Sonnenbrille …

9 Kommentare mit 5 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Juchuuu, ich wollte schon immer ein Loon Album auf deutsch haben.

  • Vor 5 Jahren

    War ziemlich hyped, am Ende is allerdings nur Dodi ein wirklicher Brecher. Rest naja.

  • Vor 5 Jahren

    Das Album ist doch gar nicht frei von Autotune- und Trap-Einflüssen, wie NervMickOk meint, auch wenn das hier glücklicherweise nichts mit den Lelele-Songs dieser ganzen Schwachmaten mit ihren Gucci-Täschchen zu tun hat.

    Zum Album selbst: Ein paar starke Nummern sind schon dabei ("Dodi", "Affalterbach", "Rapsuperstar" z. B.) und ich finde es cool, dass "Papi Pap" diesen Retro-Film inklusive - je nach Sichtweise witzig-ironischer oder peinlicher - Skits auf Albumlänge durchzieht, aber er selbst wirkte schon mal deutlich unverkrampfter und war früher auch witziger. Abgesehen davon, dass ich von Shindy keine deepen Tracks oder originelle Songkonzepte erwarte, wiederholt sich lyrisch doch einiges und auch hier schafft es unser Connaisseur wieder, einige Sachen falsch auszusprechen ("Réclamière"), wodurch es dann eben doch nicht so clever und anspruchsvoll wirkt, wie er gerne hätte. Ist im Vergleich zur Konkurrenz aber schon ein Album, das man sich paarmal anhören kann.