laut.de-Kritik

Zwei Brüder im Geiste kreieren ein musikalisches Fabergé-Ei.

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Es begab sich 2017, auf der 24k Magic Tour, als sich Bruno Mars und Anderson .Paak zum ersten Mal kennenlernten. Beide schätzten die Arbeit des jeweils anderen und verstanden sich auf Anhieb. Aus Backstage-Inside-Witzen entstanden erste Ideen für eine Zusammenarbeit sowie der Wunsch, ein ganzes Album aufzunehmen. Leider sind diese beiden Musiker schwer beschäftigt mit Live-Konzerten und die Pläne lagen zunächst auf Eis. Doch letztes Jahr grassierte die Corona-Pandemie und Menschenansammlungen waren passé. Gezwungenermaßen sahen Mars und .Paak die Möglichkeit, gemeinsam auf Albumlänge zu musizieren. Sie erkannten, dass das gewisse Etwas noch fehlte und holten sich Funk-Legende Bootsy Collins ins Studio. Der gab den beiden nicht nur den Namen "Silk Sonic", sondern fungiert als Kurator und führt als "Special Guest" durch "An Evening With Silk Sonic".

Dieses Album spielt in seiner eigenen Liga. Die Melange aus Funk, Rap, R'n'B und Soul sucht seinesgleichen, zollt Tribut an die Glanzzeiten der 60er, 70er und 80er, ohne dabei die Nostalgiekeule zu schwingen und strotzt vor nimmermüder Spielfreude. Es haben sich zwei Brüder im Geiste getroffen und kreieren ein musikalisches Fabergé-Ei: edel, verspielt, strahlend und von schlichter Größe. 31 Minuten verteilt auf neun Songs ergeben keine Filler, sondern ausschließlich Hits.

Wie sich Bruno und Anderson die Bälle zuspielen und harmonieren, ist eine wahre Pracht. Alles fließt ineinander und funktioniert reibungslos. Der Vortrag überzeugt von der ersten Sekunde an. Bei dieser infektiösen guten Laune und Energie bleibt kein Körper ruhig.

Das Hauptthema des Abends mit Silk Sonic gebührt natürlich der Damenwelt, die für Gefühlschaos sorgt. Gemäß dem Genre gehört ordentliches Schmachten und legere Sexyness dazu, das transportiert der aalglatte Bootsy direkt beim "Silk Sonic Intro", wenn er sich in selbstrefentieller Manier vorstellt: "It is I, Blaster of the Universe / Bootzilla himself". "Leave The Door Open", als schwüle Eloge an die Geliebte, eröffnet den Reigen ganz wundervoll, dort spielt man gekonnt die Klaviatur der 70er.

Einer der vielen Höhepunkte für famoses Zusammenspiel zeigt "After Last Night", wenn neben Bootsy auch Bassist Thundercat der Produktion die Kirsche aufsetzt: Nonchalante, aufreizende Textzeilen schmiegen sich dem Hörer an und erinnern an "Between The Sheets" von den Isley Brothers.

Vor allem der Funk erhält viel Freiraum auf dem extrem coolen "Fly As Me", bei dem sich Anderson in den Vordergrund rappt und auf den Grandmaster Flash stolz wäre. Gediegener Soul-Funk ertönt in "Smokin Out The Window", während man darüber lamentiert, dass einem die Frau nicht alleine gehört, denn "she belong to everybody". Perfekten Pop-Funk samt Congas und windigen Streichern serviert "Skate". Großspuriger, schnittiger und dynamischer Funk zeigt sich auf "777", das die eindeutigste Brücke zu Mars' letztem Album schlägt.

Selbstredend darf bei dieser Veranstaltung die große Ballade nicht fehlen: "Put On A Smile" evoziert vor dem geistigen Auge, wie die beiden im Regen und auf Knien ihrer Geliebten nachweinen. Traumwandlerisch sicher überspielen sie jede noch so kitschige Strophe mit einer starken Gesangsleistung und dem bezaubernden Schlagzeugspiel von Anderson. Generell dürfte ihm nun seine längst verdiente Anerkennung sicher sein.

All das alleine wäre schon eine Meisterleistung, doch "Blast Off" öffnet den musikalischen Fächer und lässt den Abend mit einer psychedelischen Note enden. Das Gemisch aus R'n'B, Funk und Soft Rock sorgt für einen verspulten, spacigen Ausstieg, bei dem Mars und .Paak sich anderen Sphären zuwenden. Ein verträumter Ausklang mit exzellentem E-Gitarrenspiel.

"An Evening With Silk Sonic" ist ein spätes Jahreshighlight und sowieso eines der besten Alben 2021. Die überbordende Detailverliebtheit, gepaart mit dem unverkennbaren Talent aller Beteiligten, muss man gehört haben. Somit hat die Pandemie auch ihre guten Seiten, beschert sie uns doch dieses prächtige Juwel.

Trackliste

  1. 1. Silk Sonic Intro
  2. 2. Leave The Door Open
  3. 3. Fly As Me
  4. 4. After Last Night (with Thundercat & Bootsy Collins)
  5. 5. Smokin Out The Window
  6. 6. Put On A Smile
  7. 7. 777
  8. 8. Skate
  9. 9. Blast Off

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12 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Kann verstehen dass dieses Album gut ankommt ist top produziert, hier sind offensichtlich Könner am Werk.
    Im gesamten mir aber zu 70er Disco lastig.
    Da drängt sich (mir zumindest) ein Vergleich zu Michael Kiwanuka auf, mit dem ich aber deutlich mehr anfangen kann.
    Bin noch nicht dahinter gekommen warum das so ist.
    Wahrscheinlich aber mag ich es eine Spur melancholischer.
    Bewertung verkneife ich mir an dieser Stelle, bin hier nicht die Zielgruppe.

  • Vor 3 Jahren

    Geile Scheibe. Großartiger Sound und ich finde es weltklasse, wie die beiden sich am Mikro ergänzen und ihre jeweiligen Stärken ausspielen.
    Ich finde aber, dass die Rezension die Chance verpasst den offensichtlichen (ironisierten?) Sexismus, der einem auf jedem Track entgegendröhnt zu thematisieren. Der versaut mir jetzt nicht das Hörerlebnis, ehrlich gesagt finde ich ihn sogar ganz unterhaltsam, aber mir stößt das immer sauer auf, wenn das nur bei Platten angesprochen wird, die man eh scheiße findet.

    • Vor 3 Jahren

      Smokin Out The Window, weil es diese Story vom Mann als ausgenommenem Geldspender weiterstrickt, da gehe ich mit. Davon ab finde ich das Album in dieser Hinsicht eigentlich sogar erstaunlich erträglich - mindestens dafür, dass erstens die zwischengeschlechtliche Liebe aus männlicher Perspektive das Dauerthema und zweitens Anderson .Paak beteiligt ist, der sich mit dem seinem bisherigen Material - soweit mir bekannnt jedenfalls - ja nicht gerade fürs Missy Magazine beworben hat (von Ironie braucht man hier deshalb wohl eher nicht auszugehen).

      Aber stimmt schon, sollte einem auch oder vll. sogar gerade in einer explizit lobenden Kritik ein paar Zeilen Wert sein.

  • Vor 3 Jahren

    Klingt für mich wie R‘nB aus den Neunzigern, wobei die ihre Vorbilder ja auch in den Siebzigern hatten. Retro - Retro