laut.de-Kritik

In homöopathischen Dosen aufs Maul.

Review von

Kurzzeitig hatte ich nach dem ersten Hören dieses Albums ja vor, einen Ghostwriter für die Review zu engagieren. Warum? Weil Silla mit "Die Passion Whisky" meiner ursprünglichen Erwartungshaltung dieses Album betreffend einen mords Strich durch die Rechnung macht und eine Platte abliefert, auf die ich so nicht vorbereitet war. Im Endeffekt: Mea culpa.

Aber was soll man von einem Berliner Rapper auch erwarten, der bei Patrick 'Auf's Maul' Losensky und dessen Label Maskulin schafft, sich innert zehn Wochen vom normalen Otto zum Peter André hochpumpt und auch ansonsten bis dato nicht unbedingt als Raps Reinhard Mey galt? Wenn dann für den Albumtitel auch noch der Name des Herrn bzw. dessen Filius aufs Korn genommen wird, geht die Erwartungshaltung nun mal ganz von allein in Richtung – nun ja – 'Auf's Maul' halt.

Damit meine ich übrigens ganz klassischen und dieser Tage wieder rarer werdenden Straßenrap. Jene Art Rap, wo eine "Befindlichkeit" höchstens die Verortung des Sprungmessers im Rücken des Gegners definiert. Auf sowas hatte ich mich in etwa eingestellt. Doch es kam alles ganz anders. Obwohl – nicht ganz anders, denn Silla gibt sich auf "Die Passion Whisky" als gewachsener und bedingt facettenreicher MC.

In vier, nach den Jahreszeiten benannten Songs arbeitet er sich – mal allein, mal mit gesanglicher Unterstützung – ganz ordentlich durch diverse Emotionsskizzen, die stets die bessere Hälfte bzw. ihre Absenz adressieren. Die Wasser geraten dabei nicht sonderlich tief, allerdings wurde man im Deutschrap auch schon mit deutlich seichteren Schmachtfetzen gewaterboardet.

Auch, wenn die schlageresken Einlagen von Julian Williams, David Pino und Cassandra Steen dem vorschriftsgemäßen Echthalter die Zehennägel aufrollen dürften: Musikalisch und qualitativ gehen sie im Gesamtkontext schon klar. Traditionell maskulin ist das zwar alles nicht, aber hey: Nach der hier geltenden Ägide bringt immer noch der Mann die Kohle nach Haus – und wenn schmalzige Hooks momentan nun mal den Absatz steigern: Just do it. Soviel Amerika hat Labelchef Fler auf jeden Fall erfolgreich verinnerlicht.

Deutlich erfreulicher gestaltet es sich dann, wenn "Die Passion" dieses Mannes sich auf düsteren, synthetischen Beats oder für "Silla Den Killa" in Form eines schmalen, souveränen Klavierloops offenbart: Einfach nur rappen. Ignorant. Irgendwas. Dies das. Auf die Zwölf. "Angst macht sich breit / Von oben bis nach unten / Wenn Ganoven und Halunken / Mit Kanonen steh'n im Dunkeln." Der Weisheit letzter Schluss mag das vielleicht nicht unbedingt sein – aber funktionieren tut es halt einfach.

Am besten steht dem Tempelhofer aber nach wie vor die ganz dicke Hose – vor allem, wenn er Mo 'Dirty Shit' Trip sowie Austro-Berliner RAF Camora dabei hat und Beat-Aristokraten wie Djoarkaeff & Beatzarre das Ganze eintüten: "Auf Leben Und Tod" präsentiert mit sakral-dramatischem Unterbau und rasenden Claps ganz klar ein Highlight der Platte – und Silla in Bestform, wenn er – wie einst der frühe Savas – nur für 'halbe Lieder' auftaucht.

Letzteres wiederum kann man vom Maskulin-Posse-Track "Rap Casablanca" leider nicht behaupten: Fler lässt zwar freundlicherweise das Autotune-Effektgerät in der Louis-Handtasche, seinen mittelmäßigen Part und die restlos nervige Hook macht das aber nicht wett. Noch uninteressanter gerät indes der Auftritt von G-Hot, der nach seiner Homo-Hassnummer von 2007 mal besser für immer in der musikalischen Versenkung geblieben wäre: "Keine Toleranz" für kein Talent.

Ein weiterer Hinhörer findet sich dann wieder auf der Premium-Edition, in Form von "Navigation": Dem Feature-Duo MoTrip und Joka gelingt zusammen mit dem Hausherrn auf einem festlich pumpenden Beat von X-Plosive genau jene Art von Song, bei der man liebend gerne darüber hinwegsieht, dass da inhaltlich jetzt nicht unbedingt ein Füllhorn an Weisheiten gekippt wird – dafür um so lieber eine Flasche Schnaps, gerne Whisky, mit den Kumpels. In solchen Momenten spielt Silla seine Stärken voll aus.

In Summe will sich "Die Passion Whisky" aber nicht so recht unter die plakative Domäne Südberlin Maskulin einfügen: Der hier präsentierte, stellenweise recht verletzliche Charakter des Künstlers steht in einem zu krassen Kontrast zur ultra-hedonistischen und maximal arroganten Stoßrichtung der Dachmarke. Aber auch davon abgesehen hinterlässt das fünfte Solo-Album von Silla einen durchwachsenen Eindruck: Es ist nirgends wirklich schlecht – aber leider auch nur an sehr wenigen Stellen mehr als gut.

Trackliste

  1. 1. Gewinner feat. Julian Williams
  2. 2. D.P.W.
  3. 3. Die Passion
  4. 4. Silla Der Killa
  5. 5. Ali & Stavros Skit I
  6. 6. Zweiter Frühling
  7. 7. Genau Wie Du
  8. 8. Kurz Vor Dem Blackout
  9. 9. Sommer
  10. 10. Sag Mir Was Du Siehst
  11. 11. Geblendet Vom Schein feat. Moe Mitchell
  12. 12. Rap Casablanca feat. Fler & G-Hot
  13. 13. Herbst feat. David Pino
  14. 14. Ali & Stavros Skit II
  15. 15. Panik In Der Disco
  16. 16. Auf Leben Und Tod feat. Raf Camora & MoTrip
  17. 17. Der Erste Winter
  18. 18. #KKK
  19. 19. Navigation feat. MoTrip & Joka
  20. 20. M-A-S-K-U-L-I-N feat. Fler, G-Hot & Moe Mitchell

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