laut.de-Kritik

Hinter den aufgeblasenen Muskeln steckt nicht viel.

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Mixtapes sind was Tolles. In der amerikanischen Hip Hop-Kultur fest verankert, fördern sie in regelmäßigen Abständen Glanzstücke des Sprechgesangs zutage, oft sogar gratis! Egal, ob etablierte Artists legendäre Reihen aufbauen oder Newcomer mit einem Tape ihren Durchbruch schaffen, der Fan profitiert immer.

In Deutschland ist eine solche Herangehensweise eine absolute Rarität. Viel zu festgefahren ist die Szene inzwischen in jährlichen Releasezyklen, langgezogenen Promophasen und limitierten Fanboxen. Grund genug aufzuhorchen, falls es doch einmal jemand probiert: Silla veröffentlicht zwei Wochen vor dem Releasedate seines neuen Albums "V.A.Z.H" das "Testo Tape 2", vollgepackt mit 25 Tracks und einer Vielzahl an Features.

Der Amerika-Einfluss hört beim Format noch lange nicht auf. Bereits auf dem ersten Track begrüßen die nur allzu bekannten Klänge von Kanye Wests "All Day" den Hörer. DJ Jim Tonic scratcht den Yeezy-Song ein wenig umher, bis auch schon die erste Ernüchterung eintritt: Moe Mitchell trällert eine Gesangshook auf den Beat. Leider harmoniert der Sänger hierbei so gar nicht mit dem Instrumental und wirkt schlichtweg wie ein Fremdkörper. Der Rap-Part von Silla passt da schon eher, doch auch hier zwingen sich immer wieder Vergleiche mit dem Original auf. Dagegen besteht der Berliner absolut nicht.

Nach seinem Part erklärt uns Silla das Konzept des Mixtapes: Er habe mit seinen Featurepartnern "ein paar coole Sessions gehabt" und jetzt "einfach kurz 'n Mixtape rausgehauen". "Kurz" lautet hierbei das Stichwort. Zwar besitzt das "Testo Tape 2" mit 25 Tracks eine beinahe epische Länge, doch hört man an allen Ecken und Enden die kurze Produktionsphase. Die Songs wirken wie wahllos zusammengewürfelt, die Strophen wie lieblos zusammengeflickte Parts, die man zufällig beim Ausmisten gefunden hat. Wegen der locker-flockigen Herangehensweise kommt zwar durchaus Mixtape-Feeling auf, doch dank der langen Laufzeit verkommt das Hörerlebnis schnell zur langatmigen Geduldsprobe.

Daran tragen nicht zuletzt die mauen Songs die Schuld. Zwar lädt sich Silla mit beispielsweise Blut & Kasse und Tamas durchaus würdige Vertreter ihres Fachs auf die Platte, doch liefern fast alle Beteiligten eher auf Sparflamme ab. Hinzu kommt die große Anzahl an komplett unbekannten Newcomern, deren Künstlernamen sich oft nicht einmal googlen lassen. Das allein ist natürlich nichts Schlechtes, doch zeigt sich schnell, dass ein Rashaad oder Rako vielleicht zurecht bisher eher weniger Beachtung in der Szene fanden.

Vereinzelt enteckt man auch vielversprechende Neulinge auf Sillas Tape. Da wäre zum Beispiel Instinkt, der mit seiner rauchigen und kraftvollen Stimme hervorsticht. Gleichzeitig beeindruckt der Rapper mit abwechslungsreichen Flows und bissigem Stimmeinsatz auf "Porsche 911er" und "Himmel Oder Hölle" durchaus.

Boysindahood geben da eher eine weniger gute Figur ab. Die Crew versucht sich offensichtlich daran, eine Art deutsche Version der Migos darzustellen, bewegen sich aber irgendwo zwischen Nervensäge und Fremdscham. Mit "El Chapo" probieren die Rapper einen genauso rasanten wie eingängigen Banger zu schaffen. Die völlig überladene, stumpfsinnige Hook bleibt aber höchstens ihrer Einfältigkeit wegen im Gedächtnis, und die "krah, krah"-Adlibs kriegt selbst Swag-General Moneyboy passender hin.

So ist das "Testo Tape 2" ein sehr durchwachsenes Projekt. Hier und da schleicht sich ein interessanter Part oder Song in die Tracklist. Doch meist hat man es mit eher schmalziger Straßenromantik oder durchschnittlichen Representern zu tun. Silla selbst hat neben diesen Standard-Themen und seinem Trainingswahn nicht viel zu erzählen. Als kleine Schleichwerbung für sein eigenes Fitnessprogramm platziert er den Track "Brust & Bizeps" auf dem Tape und bezeichnet sich als "Oberhaupt einer ganzen Stemmer-Nation". Na, wenn da Kollegah, Fler und Co. mal nicht widersprechen ...

Dem Mixtape fehlt es nicht nur an einem roten Faden, sondern auch an einer Qualitätskonstanten. Zu oft ziehen ambitionslose Strophen oder halbgare Gesangshooks den Geduldsfaden in die Länge. Das Potpourri aus Streetrap und Trap-Einflüssen aus Übersee bleibt ein raptechnisches Kräftemessen ohne nennenswerte Überraschungen. Hinter den aufgeblasenen Testosteron-Muskeln verbirgt sich nicht viel.

Selbst der uralte Kid Ink-Track "No Sticks No Seeds" aus dem Jahre 2011, der sich – warum auch immer – auf dem "Testo Tape 2" befindet, sticht positiv aus dem Einheitsbrei der Deutschrapper hervor. Es mag für ihn nur ein kleines Spaßprojekt gewesen sein, doch Sillas Kumpel-Compilation versinkt dank der zum Großteil unspannenden Beiträge in der Belanglosigkeit. Bleibt abzuwarten, ob der "Killa" für sein kommendes Album mehr tut, als symbolisch und wörtlich mit den Muskeln zu spielen.

Trackliste

  1. 1. All Day
  2. 2. No Sticks No Seeds
  3. 3. Porsche 911er
  4. 4. Violett
  5. 5. Wie Neugeboren
  6. 6. Brust & Bizeps
  7. 7. Himmel Oder Hölle
  8. 8. So Machen Wir Das Hier
  9. 9. 1 Auge Aufs Geschäft, 1 Auge Auf Der Street
  10. 10. Der Beste
  11. 11. Silla Der Killa (Skit)
  12. 12. Abhängig
  13. 13. Kennek Exclusive
  14. 14. Freestyle
  15. 15. Liebe Zum Detail
  16. 16. Mach Dir Keine Sorgen
  17. 17. Die Stadt Ist Zeuge
  18. 18. Freestyle
  19. 19. Regenwolken
  20. 20. Turbo
  21. 21. Braune Jungs & Blaue Bullen
  22. 22. Tage Des Donners
  23. 23. Rap Im Visier
  24. 24. Deepthroat (Remix)
  25. 25. El Chapo

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