laut.de-Kritik

Eine der spannendsten Soul- und Funk-Platten des Jahres.

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Es gibt diese Alben, die alte Fans von neuen Fans abspalten. Wenn ehemalige Genre-Künstler sich dem Mainstream nähern, gehört es wohl zwingend dazu, einige Anhänger enttäuscht zurück zu lassen. Bei "Mean Love" handelt es sich um eben solch ein Werk.

Nachdem Ahmed Gallab und seine Band Sinkane mit dem Geheimtipp "Mars" bereits einen deutlichen Schritt in Richtung Funk und Soul gingen, verfeinern sie das Rezept nun mit ausgefeilter Songwriting-Kunst. Gallabs androgyne Kopfstimme durchzieht die Songs mit durchgehend einnehmenden Melodiebögen. Liebesbedürftig kuschelt er sich an seine Zuhörer.

Den Rohstoff für "Mean Love" bildet der Soul, der jedoch ohne jegliche Vorwarnung in Richtung Afrobeat, Reggae, Funk, Dub, Pop, Rock oder Country wechselt. Die Übergänge verlaufen so fließend und harmonisch, dass sie noch nicht einmal auffallen. Unterschiedlichste kulturelle Einflüsse und Eindrücke begleiten die Reise aus der Nostalgie in die Moderne. Auf diese Weise entwickelt der in "Omdurman" geborene Wahl-Brookliner eine ganz eigene packende Soundästhetik.

Blinkende 8-Bit-Keyboards, böige Flöten, ein angefunkter Bass und punktierte Gitarren-Licks verdeutlichen gleich im eingängigen Opener "How We Be", wie geschickt Gallab klassische Elemente mit aktuellen Klängen vermischt. Burschikos zieht er den Track an den mitwippenden Schultern aus dem Retro-Sumpf und hält ihn ins Licht. Noch mehr Funk fährt das schwüle "Yacha" auf, das im Refrain drückend heiße Afrobeat-Strukturen annimmt.

Das zurückgelehnte "Galley Boys" erhält seine Farbe von einer verträumten Pedal-Steel-Gitarre, verzichtet ansonsten aber komplett auf Country-Klischees. Im schleichenden, von tiefem Bass angetriebenen Groove von "Hold Tight" erinnert Gallabs aufgewühlte Falsettstimme mehr als einmal deutlich an Sade, verliert dabei aber nicht ihre Eigenständigkeit.

Weiter von den Krautrock und Free Jazz-Neigungen auf dem exzellenten Debüt "Color Voice" könnten sich Sinkane mit "Mean Love" kaum entfernen. Album Nummer vier stellt entsprechend Gift für Menschen dar, die glauben möchten, dass früher alles besser war. All die, die jetzt erst dazu stoßen, oder jene, die sich nicht von der Vergangenheit einschränken lassen wollen, werden mit einer der besten und spannendsten Soul- und Funk-Platten des Jahres 2014 belohnt. Kaufen.

Trackliste

  1. 1. How We Be
  2. 2. New Name
  3. 3. Yacha
  4. 4. Young Trouble
  5. 5. Moonstruck
  6. 6. Mean Love
  7. 7. Hold Tight
  8. 8. Galley Boys
  9. 9. Son
  10. 10. Omdurman

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