laut.de-Kritik
Kein Bock auf die Regeln des Hypes.
Review von Dani FrommMan könnte glatt den Eindruck gewinnen, dass Grime-Künstler immer noch ein bisschen verblüffter darauf reagieren als Vertreter anderer Untergrund-Genres, wenn sie sich plötzlich im Rampenlicht wiederfinden. Wobei im Falle Skepta eigentlich niemand von plötzlich sprechen kann, gehört er doch zweifellos zu den alten Hasen im dreckigen Spiel.
Ehrlich emporgewurstelt träfe es besser. Mit einem bisschen Assistenz von Drake und Pharrell Williams zwar, die geholfen haben, den Scheinwerfer der öffentlichen Aufmerksamkeit in die richtige Richtung zu drehen, aber doch größtenteils aus eigener Kraft und Zähigkeit und vor allem, darauf legen sie bei Boy Better Know Wert: ohne sich zu verbiegen. Ehe sie sich musikalischen Modetrends unterordnen, diktieren sie lieber welche.
Huch! Statt aus dem geborstenen Fenster des Abbruchhauses guckt Skepta jetzt ja vom Cover eines Hochglanz-Magazins ... Das ungläubige Staunen darüber, mittlerweile nicht mehr in der schmuddeligen Ecke des Nord-Londoner Kellers, wohl aber in der ersten Reihe angesagter Fashion-Shows zu sitzen, tönt auf "Konnichiwa" aus jeder zweiten Zeile. Zugleich schwingt aber die Überzeugung mit, den Hype nach all den Jahren doch irgendwie verdient zu haben.
Auf seine Regeln und Mechanismen muss man deswegen noch lange keinen Bock haben: "I just wanna talk to the youths. Nah, I don't wanna talk to the press", lässt Skepta ungehalten wissen. BBK is for the children, alles klar, außerdem für die alten Weggefährten und die wenigen wahren Freunde unter den vielen neuen, die zusammen mit dem Erfolg offenbar selbst in Tottenham einfallen wie die Schmeißfliegen.
Einst boy in da corner wie Dizzee Rascal ringt Skepta in dem VIP-Trubel, in dessen Zentrum er auf einmal steht, um seine künstlerische Integrität. Er analysiert, was der Erfolg mit ihm, seinem Leben und seinen zwischenmenschlichen Bindungen anstellt, bleibt dabei aber nicht nur dem schwarzen Trainingsanzug, sondern vor allem seinen Wurzeln treu.
Der asiatische Touch, den der Albumtitel verspricht, tritt nur hin und wieder zutage. Sollte es in Skeptas Hood tatsächlich irgendwo einen japanischen Ziergarten geben, so herrscht dort rabenschwarze Nacht, da kann der Eröffnungstrack dreimal Gong, plätscherndes Wasser, Flötentöne, Klingeling und zwitschernde Vögelchen aufbieten. Sobald der Bass drüberfräst, bleibt kein Zweifel übrig, wo wir uns hier befinden.
"Grime Riddim" und insbesondere "That's Not Me" klingen, als beziehen sie ihre Inspiration direkt aus einem Arcade-Automaten. "Detox" drosselt das Tempo und lässt pfeifende Geräusche am Ohr vorbeischlittern, während der Bass jamaikanische Vibes pumpt.
"Calm!" Statt Samuraischwerter, kreuzt Skepta mit seinen Widersachern "Lyrics" in bester Battle-Tradition, während er in Richtung der Kollegen salutiert, die sich um das Genre der Wahl verdient gemacht haben - allen voran immer wieder Wiley, aber auch Stormzy und die eine oder andere Jungle- oder Drum'n'Bass-Emcee-Größe finden Erwähnung.
Manche mischen gleich selbst mit, darunter selbstverständlich Skeptas Bruder JME. Hier verwundert eher, dass der beim BBK-Klassentreffen "Detox" nicht aufkreuzt. Pharrell Williams liefert für "Numbers" neben dem wirkungsvollen Beat auch einen Vers. Das Resultat wirkt runder und weit weniger dröge als die beiden vorausgegangenen Tracks, jeweils mit A$AP-Mob-Beteiligung, die die Mitte des Albums ein wenig zäh erscheinen lassen.
Wie eine Nummer wie "Ladies Hit Squad" mit der Ankündigung zusammenpasst, der Fokus habe diesmal auf besonders tiefschürfenden Texten gelegen: keine Ahnung. Abgesehen von dieser Schlafzimmervorstellung macht sich Skepta aber durchaus Gedanken, etwa über den Zustand der Musikindustrie, die "Numbers" für wichtiger hält als künstlerische Qualitäten.
Zum Schluss gibt es mit "Text Me Back" noch ein Liebeslied, das einerseits die zu Hause gebliebene Auserwählte, andererseits die besorgte Frau Mama anspricht. Der Inhalt lässt rührseligen Schmonz erwarten, den Produzenten Jason Adenuga und Ragz Originale ist das zum Glück herzlich egal. Sie liefern genau das, wofür der Name Skepta immer schon stand: Grime. Nix sonst.
3 Kommentare mit einer Antwort
Schickes Album!
4/5 (!)
!
Hätte mind. 4/5 gegeben, trotz dem dämlichen Ladies Hit Squad. Alleine That' s not me ist ein dermaßener Hit, unfassbar.