laut.de-Kritik
Trotz aller Selbstzweifel: Mittelfinger ins Gesicht!
Review von Mathias MöllerIch wusste zuerst nicht, was ich davon halten sollte, als sich im letzten Jahr die Smashing Pumpkins wieder zusammenfanden. Beziehungsweise sich nach Billy Corgans Gusto neu formierten. Alle Fragen bezüglich der Vergangenheit der Band zerstreuten sich angesichts eines Konzerts und des soliden "Zeitgeist". Billy hatte das Richtige getan, ich hätte es eh nicht verhindern können, und er hat tatsächlich das Beste daraus gemacht.
Weil Corgan immer schon ein eigensinniger Querkopf war, verzichtete er auf großes Touren im Anschluss an "Zeitgeist", sondern besuchte nur zwei Residencies. Eine im eher Insidern bekannten The Orange Peel in Asheville, North Carolina, eine im etablierten Fillmore in San Francisco.
Warum die DVD, die all das dokumentiert, "If All Goes Wrong" betitelt ist, erschließt sich im Nachhinein nicht wirklich. Dass die Fans in beiden Residencies eine willkommene Gabe ihres Billy sehen würden, sollte auch diesem klar gewesen sein.
Aber er wäre natürlich nicht Billy Corgan, wenn er nicht an seinem Erfolg zweifelte. Diese Zweifel blitzen auf der ersten DVD von "If All Goes Wrong" immer wieder auf. Die Dokumentation über die beiden Residencies und die Befindlichkeiten einer Band, die sich erst noch findet, ist dabei wirklich interessant gelungen, lässt sie doch tief in das Innenleben der Gruppe sehen.
Neben dem stets unsicheren Billy (der während der Residencies mehrere neue Songs schreibt, die während der Doku zu hören sind, in einem, "Mama", singt er die symptomatischen Zeilen "It's a show, I must seem in control") und dem in sich ruhenden Jimmy Chamberlin lernt der Fan hier auch die neuen Angestellten der Smashing Pumpkins kennen. Jeff Schroeder, Ginger Reyes und Lisa Harriton kommen ihrem Rang gemäß zu Wort und erklären, wie sie überhaupt zur Band gekommen sind und was für eine Ehre es ist, mit so arrivierten Musikern zu spielen.
Viele andere melden sich auf "If All Goes Wrong" zu Wort: Journalisten, Fans, Manager, Personal Assistants, sogar Pete Townshend. Alle rückversichern Billy, dass alles gut ist, doch wenn es zurück zu ihm geht, sieht man meist diesen unsicheren Typen, als den man ihn kennt. Mehr noch, er offenbart sich als die schwierige Person, die man immer in ihm ahnte, auf der Bühne und Abseits.
Da ist zum Beispiel seine Verletzlichkeit, wenn es um die Vergangenheit der Band geht. Er mag zum Beispiel "Soma" oder "Mayonaise" nicht mehr spielen, weil sie so eng mit James Iha, dem geschassten Gitarristen, in Verbindung stehen. Egomanie? Nicht wirklich, denn trotz aller Affektiertheit kommt Billy doch stets zumindest halbwegs sympathisch rüber. Man will ihm verzeihen, egal, was er macht. Denn er schenkt uns ja diese großartige Musik.
Sonstige Beobachtungen? Man sieht der Band beim Wachsen zu, und man erwischt sich dabei, wie man eine helle Zukunft der Smashing Pumpkins in der aktuellen Besetzung für möglich hält. Dass Jeff, Ginger und Lisa vielleicht die Richtigen sind für Billy und Jimmy, dass sie die Band noch eine Weile zusammenhalten können, für ein, zwei Alben. Denn es gibt diese ermutigenden Momente: Nach einer technisch verkorksten Show in San Francisco wirft Jeff mit dem letzten Ton wütend seine Gitarre in die Ecke; eine Geste, das ihn vom bloßen Angestellten zum vollwertigen Bandmitglied wachsen lässt.
Die zweite DVD dokumentiert die Residency im Fillmore. Leider lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob es sich um die Aufzeichnung eines Abends handelt. Wenn ja, ist es ein toughes Konzert für die Fans. Hatte Chamberlin auf der ersten DVD noch verkündet, dass sie das alles jetzt nur noch der Kunst wegen machten, bekommen es die Fans auf DVD Zwo zu hören. Zuerst spielen Billy und Co. drei neue, bis dahin weitgehend unbekannte Songs, gerade erst geschrieben.
Auch im weiteren Verlauf des Sets fließen immer wieder unbekannte Stücke ein. Auf Hits warten die Fans vergeblich. Der noch bekannteste Song ist "Untitled" von der Best Of "Rotten Apples".
Höhepunkt des zweifelhaften Konzertvergnügens stellt "Gossamer" dar, ein während der Residencies gerne zelebrierter Live-Jam, der hier mit schlappen 33 Minuten zu Buche schlägt. Wer noch Zweifel hatte, dass Billy und Jimmy das alles für irgendjemand anderen als sich selbst machten, bekommt hier den dicken Mittelfinger ins Gesicht gehalten. Erst die akustische Session im Bonusbereich versöhnt.
Und dennoch: Man verzeiht es Billy. Er hat die Smashing Pumpkins wieder zusammengebracht. Er lässt uns per DVD an seinem künstlerischen Genie teilhaben. Und so ist "If All Goes Wrong", das natürlich standesgemäß hervorragend aufgemacht ist, sowohl in der liebevollen Verpackung als auch in der filmischen Umsetzung (einziges Manko sind die fehlenden deutschen Untertitel), auf jeden Fall ein Muss für den Smashing-Pumpkins-Fan. Wer weiß, wie lange es die Kürbisse noch gibt!
11 Kommentare
Auf die Rezension hab ich schon gewartet.
Sehr fair geschrieben, auch wenn ich als die-hard Fan wohl einen Punkt mehr vergeben hätte. Und untitled ist bestimmt nicht der bekannteste Song der zweiten Disc - oder hält der liebe Herr Möller nicht viel von der genialen "Starla"-Version?
Erstmal bin ich nicht "der liebe Herr Möller", und zweitens ist "Starla", wenn ich Recht informiert bin, immer noch eine B-Seite und "Untitled" eine Single. Odr? (Was natürlich nicht gegen die Güte von "Starla" spricht.)
Ist denn seit der Reunion nochmal was großartigs rausgekommen? Irgendwie riecht das alles nach altem Fame aufwärmen.. naja.
Frau auf der Maur begeistert mich solo auf jeden Fall mehr!
@matze (« Erstmal bin ich nicht "der liebe Herr Möller", und zweitens ist "Starla", wenn ich Recht informiert bin, immer noch eine B-Seite und "Untitled" eine Single. Odr? (Was natürlich nicht gegen die Güte von "Starla" spricht.) »):
Eh. Aber 'Pisces Iscariot' war ein offizieller Pumpkins-Release. Naja, is ja im Endeffekt egal.
Nerd.
@matze (« @bigfoofightersfan (« LIVE sind sie aber weiterhin TOP und ich verstehe diese negativen Stimmungen auf den Gigs nich »):
jup, so gehts mir auch. perfektionistentum? »):
Meine hohen Erwartungen wurden auch mit der neuen Besetzung erfüllt...daher ist ein SP Konzert weiterhin spannend. Wir können das aber auch gerne Billy und seine Freunde nennen wenn er weiterhin seine Klassiker bringt