laut.de-Kritik

Können Stifte Musik machen?

Review von

Foundsound heißt das Label von Sean O'Neal alias Someone Else. Der Name ist Konzept. Natürliche Klänge, Umweltgeräusche und Alltags-Sounds stehen im hier im Mittelpunkt. Mit einem Aufnahmegerät in der Hand hat sich O'Neal auch aufgemacht, um das Rohmaterial für seinen ersten Someone Else-Longplayer einzufangen. Im Rechner bearbeitet, hat er die gefundenen Geräusche zu insgesamt zwölf Stücken verbunden. "Pen Caps And Colored Pencils" ist das Ergebnis dieses Prozesses.

Mit seinem Album greif O'Neal ein wichtiges Konzept der klassischen Moderne auf. Anfang des letzten Jahrhunderts lösten Künstler wie Marcel Duchamp oder die Futuristen in Italien einen Skandal aus, indem sie industriell gefertigte Objekte oder Umweltgeräusche zu Kunst erklärten. Seither hat das 'object trouvée' seinen Platz in der Kunstgeschichte. Im musikalischen Kontext erfuhr dieses Konzept in den 50er und 60er Jahren durch die musique concrète seine Wiederbelegung.

Von dort führt eine weitere Entwicklungslinie zur elektronischen Musik unserer Tage und damit auch zu Someone Else. Im Gegensatz zu den Pionieren vor mehr als einhundert Jahren, kann O'Neal bei der Aufnahmen und Manipulation seiner Umweltgeräusche auf modernste Technik zurückgreifen. Ohne das Hintergrundwissen, dass er sich 'gefundener Sounds' als Quelle bedient, würde "Pen Caps And Colered Pencils" deshalb als gewöhnliches Minimal-Techno-Album durchgehen.

Einziger Hinweis auf das Ausgangsmaterial sind die lustigen Titel des Longplayers wie "Funky Fromage" oder "Peaches And Steam". Sie lassen erahnen, wo O'Neal das Mikrofon überall hingehalten hat. All das macht "Pen Caps And Colored Pencils" aber noch längst nicht zu einem guten Album. Dafür packt Someone Else seine Sounds in ein zu steifes Minimal-Techno-Korsett. Das anarchistische Moment, das im 'object trouvée' steckt, kommt so nicht zur Entfaltung.

Das ist schade, schließlich würde ein solches Konzept sich auch heute noch interessant umsetzen lassen. Es hätte noch immer das Potenzial, beim Hörer ungewohnte und neue Höreindrücke entstehen zu lassen. Dafür geht Someone Else auf "Pen Caps And Colored Pencils" aber längst nicht radikal genug mit seinen Quellen um.

Auf 'gefundene Sounds' zurückzugreifen ist im Zeitalter von Sampling längst ein Gemeinplatz, auf dem sich jeder tummeln kann. Will man ein solches Konzept zeitgemäß umsetzen, erfordert das eine weitaus tiefere intellektuelle Durchdringung, als O'Neal sie leistet.

Trackliste

  1. 1. Lowdown Brittle
  2. 2. Play It Kershaw
  3. 3. Pooty Call
  4. 4. Hedroom Eyes
  5. 5. Curly Eyes
  6. 6. Funky Fromage
  7. 7. Peaches And Steam
  8. 8. Elevator Muzak
  9. 9. Threadbare Snare
  10. 10. Mi Lapiz Es Amarillo
  11. 11. Family Unties
  12. 12. Oh Sean

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Someone Else heißt bürgerlich Sean O'Neal und kommt aus Philadelphia. Er ist in eine Vielzahl von Techno-Projekten involviert und betreibt gleich mehrere …