laut.de-Biographie
Sons Of Raphael
"Alle haben gesagt: 'Ihr braucht einen Drummer', oder: 'Ihr braucht mehr Leute', aber wir nehmen die nicht. Selbst wenn sie verwandt sind, wie ein Cousin zweiten Grades, ist das nicht gut genug. Bruder oder nichts."
Je mehr man sich mit den Brüdern Ronnel und Loral Raphael beschäftigt, desto mehr erschließt sich diese Aussage, die Ronnel im Interview mit dem Hero Magazine traf. Denn mit der Skurrilität der Sons Of Raphael kann vermutlich niemand mithalten. Schon rein optisch, denn die beiden sehen mit ihrer anachronistischen Kleidung, den wilden Frisuren und Ronnels markanter Brille so aus, als wären sie aus einem Wes Anderson-Film gepurzelt.
Dann ist da noch diese Aura des Ungreifbaren, denn man weiß nie so recht, was bei dem Duo gerade authentisch und was Teil eines größeren Witzes sein könnte, den man nicht versteht: Mitten im Interview mit Loud And Quiet taucht 2017 ein Buchmacher auf, der von den Brüdern die Rückzahlung ihrer Schulden verlangt. Ist das alles nur Schauspielerei? Oder haben die Brüder tatsächlich Probleme mit dem Glücksspiel? Zur Veröffentlichung ihres Debütalbums verlauten sie, das 30-köpfige Orchester hätten sie sich nur wegen einer gut platzierten Sportwette leisten können.
Die beiden Brüder stammen aus West-London, die ersten musikalischen Gehversuche macht der kauzige Ronnel während der Internatszeit. Seine eigensinnige Musik trifft allerdings nicht auf offene Ohren, was ihn wiederum um eine Erkenntnis reicher macht: "Ich habe gelernt, dass es genauso wirkungsvoll ist, die Leute dazu zu bringen, die Show zu verlassen, wie sie zum Bleiben zu bewegen.".
Kurz darauf realisiert er, dass es tatsächlich keinen Menschen gibt, der ihn besser versteht, als sein Bruder Loral, und so wird der kurzerhand zur zweiten Hälfte des Duos. Die erste EP "A Nation Of Bloodsuckers" erscheint 2018, große Teile nimmt Ronnel in seinem Zimmer im Studentenwohnheim auf. Beim Videodreh zum Song "Eating People" werden sie aus der Kapelle des Clifton College geschmissen und müssen sich anhören, sie kämen in die Hölle. Da hat man also nichts mehr zu verlieren, aber alles zu gewinnen.
Die Ambitionen wachsen entsprechend, das Projekt Debütalbum nimmt immer größere Formen an: Die Sons Of Raphael reisen in die Vox Studios nach Los Angeles, verbringen Zeit in Paris und polieren ihr Werk am Ende in London mit dem großen Orchester. Unter Leitung des mittlerweile tragisch verstorbenen Produzenten Philippe Zdar entsteht "Full Throated Messianic Hommage", ein Album, dass die ungreifbaren Personas der Brüder widerspiegelt.
So wie sich ihre Eltern einst für Scientology interessierten (Ronnel wurde nach dem Gründer L. Ron Hubbard benannt), interessieren sich die Brüder für Religion im Allgemeinen. So heißt es etwa im Song "Revolution": "My God has no friends but me, just me / Those times when we were good / Do the things we should / Are past, are past".
Die Songs klingen gleichzeitig nach Science-Fiction und der Vergangenheit, angeblich könne man auf dem Album Frank Sinatras Schlagzeug, Brian Wilsons Vibraphon und eine Echo Unit von Quincy Jones hören. Dem NME gegenüber beschreiben sie ihre Musik selbstbewusst als: "The new sound of music.". Ist das alles eine Parodie auf abgehoben Kunst, oder meinen die das ernst? Darüber zu rätseln macht einen großen Teil der Faszination der Sons Of Raphael aus.
Noch keine Kommentare