laut.de-Kritik
Fett bouncende Bass-Elektronik mit Raggamuffin.
Review von Philipp KauseDie schottische und indischstämmige Ragga-MC Sumati Bhardwaj, kurz Soom T, ist ein krasses Phänomen. Sie erreicht mit ihren weltanschaulichen Texten auf fetten Bounce-Beats bereits seit sieben Alben Hip Hop-Fans, die sonst mit Reggae nichts am Hut haben, aber auch hartgesottene Roots-Supporter, die sich an ihrem selbstbewussten Auftreten und ihrer Integrität erfreuen. Innovationen wie die Electro-Zersäbelung der Hook von "Michael" als Auflockerung inmitten von Highspeed-Kaskaden, die mit Daddy Freddy konkurrenzfähig sind, und ein alleine von ihrer Stimme erzeugter mittelalterlicher Kirchenchor-Flair - sowas hört man sonst nirgends.
"The Louder The Better" setzt als achter Longplayer der bisherigen Diskographie die Krone auf und bietet sowohl Melodie und Rückbesinnung auf ursprüngliche 60s-Ska-Wurzeln, wie reibende Dissonanzen, und manchmal beides gleichzeitig ("Free The Man"). Songtitel wie "Prophets", "Ezekiel's Vision" und "Hail To The Watchman" zeigen gleich, wohin die Reise geht, nämlich ins Religiöse. "Teaching the bible", wie es in "Normal People" direkt heißt. Auch wenn die Bibelzitate in Sooms Gesamtwerk etwas speziell wirken. In Interviews erschlägt sie einen mit ihren teilweise antiquierten, wertkonservativen Positionen, die oft haarscharf an Verschwörungstheorien vorbei schrammen. Doch sie ist eine sympathische Überzeugungstäterin. Insbesondere an verdummender Fernseh-Berieselung übt sie leidenschaftlich Kritik, so auch jetzt wieder in "Ezekiel's Vision", wo sich zum Raggamuffin indische Raga-Töne gesellen.
Die oft in Frankreich tourende und dort auch gesignte Künstlerin serviert ihre Gebete ("praying for the goodness"), Ermahnungen und Tipps für ein rechtschaffenes Leben in einem smarten, lockeren Sounddesign. In manchen Stücken mit Christian Cowlin aus Twickenham, der einst mit Boy George tourte und die 2000er Jahre als Keyboarder und Toningenieur der Wailers verbrachte. Lieder wie der klassische Motown-Soul-Reggae "No Worries" mit Call-and-Response-Gesang und lieblicher Melodie geraten sehr eingängig. Auch "Prophets" verantwortet er, Groundation-Fans dürften's genauso lieben wie Fans prägender Roots-Combos von Culture bis Gladiators.
Auf die Tanzfläche gehören das fürs Pariser Label X-Ray typische Bassdröhnen in "Like A Dog" vom Irie Ites-Soundsystem, dann das fluffige Viben im weich gesungenen "Fly My Bird" und der dezent futuristische Stepper-Style "Emergency" mit Gast Sonny Green, der sich über Korruption auslässt. "Hail To The Watchman" zittert als pure Klirr-, Clicks- und Cuts-Elektronik mit einem Rasta-Text, ist aber schon mehr Avantgarde als Dancefloor-affin.
Das Highlight verantworten die Londoner Dub- und Lovers Rock-Veteranen Mafia & Fluxy mit ihrer Vorliebe für Saxophon-Auskleidungen in ihren basstriefenden Arrangements: "Walk The Earth". Der Aufprall von Vintage-Sound aus Blechbläsern auf den rumpeligen Tiefton-Rumms paart sich mit der kratzigsten und teeniehaftesten Stimmlage, die die 42-Jährige zu bieten hat. So weckt sie gleichzeitig Beschützer-Instinkte, kommt aber auch rebellisch rüber, während sie die "moving lips on TV" in der Welt zwischen Telepromptern und Playbacks attackiert. Sie fleht den Allmächtigen an, ihr die Wahrheit zukommen zu lassen, und dann fletscht sie im musikalisch stärksten Gewand der Doppel-LP die Zähne zur schärfsten Zeile: "I don't need thrill / or Babylon business, to pay my bill / to seek success in a dying world!"
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