laut.de-Kritik
Repetition ist schon immer ihr Fetisch gewesen.
Review von Franz Mauerer"Nothing Is As Good As They Say It Is" – recht haben Sparks. Wobei, nur mit der Aussage, nicht mit diesem Song, der ist nämlich Fanservice. Mit zugehörigem Babyvideo wird er endgültig zu einem schematischen Quatsch-Kunstlied, das Ween und Clinic so seit einigen Jahrzehnten nicht mehr machen würden, und das auf den "Unter Meinem Bett"-Tonies-Samplern eher ein Filler wäre. Gottlob ist das nicht, was wir von den dank Edgar Wrights Doku "The Sparks Brothers" weltweit berühmt gewordenen Mael-Brüdern erwarten dürfen, "The Girl Is Crying In Her Latte" erreicht zumeist nämlich ein ganz anderes Niveau.
Das Formelhafte in ihrer Musik war der Faktor, der den Kaliforniern den ganz großen Erfolg verwehrte und was Meisterwerke seltsam neben Mittelmäßigem aufreihte. Abstreifen werden die beiden diese Tendenz wohl nie. Zumal sie es ist, die auch für die Catchyness der besten Lieder verantwortlich ist.
Selbstzweifel sind auf "The Girl Is Crying In Her Latte" nicht zu hören, der Erfolg beflügelt Ron anscheinend eher, das Projekt Sparks noch einmal richtig und mit Ernst anzupacken, ohne sich in den Nebenprojekten wie dem Film "Annette" und den diversen Musical-Plänen zu verzetteln. Schon der Titeltrack, gleichzeitig der Opener, bringt einen ungewohnten Zug rein. Die Line "The Girl Is Crying In Her Latte" ist nun mal eine gute und der Song dazu nur vordergründig simpel, tatsächlich ist er wie die meisten richtig guten Pop-Songs exakt abgestimmt. Man beachte nur, wie das Duo Gesangslines als Basslines zweckentfremdet oder der Song an den exakt richtigen Stellen in sich selbst zusammenfällt, um dann mit neuer Kraft voran zu stapfen. Hier stimmt fast alles.
Repetition ist schon immer der Fetisch der Maels gewesen, und auf diesem Album ist es nicht anders. Ohne Repetition keine Musik – erst recht kein Pop – aber zu viel Repetition macht Musik kaputt; es hört sich so einfach an. Sparks und ihre Brüder im Geiste Devo teilen diesen schmalen Grat – auf "The Girl Is Crying In Her Latte" gehen die Amis ihn souverän an wie selten zuvor beziehungsweise liegen die Probleme der Platte nicht darin begründet. "Escalator" zehrt von lediglich einer (catchy) Keyboardfigur, von einer fixen Idee, um die herum ein Song aufgebaut wurde. Der gerät trotzdem zu keinem Zeitpunkt fad, im Gegenteil nutzen Sparks die Basis des Songs für Ausflüge in alle Richtungen und behalten doch immer die Zügel in der Hand, was "Escalator" zu einer kohärenten, warmen, melancholischen Nummer werden lässt, die sich dem Hörer nachhaltig einprägt.
Das folgende "The Mona Lisa's Packing, Leaving Late Tonight" ist mit seinen tribal drums und den flirrenden Synths ein krasser Stilbruch, folgt jedoch derselben Systematik und setzt sie ebenso gekonnt um. Aber wo "Escalator" immer komplexer wird, findet man sich als Hörer auf "The Mona Lisa's Packing, Leaving Late Tonight" erst nach einigen Augenblicken zurecht, die man dann aber am besten tanzend verbringt. "A Love Story" ist der dritte zu nennende Kandidat im Reigen der gelungenen, eher repetitiven Nummern. Eine überraschend kühle Nummer über Drogenkauf für die Freundin, ein Musterbeispiel für Rons größtenteils gelungene Lyrics auf diesem Album, wodurch Russell immer dann wie der klügste Sänger der Welt wirkt, wenn er die Punchlines en passant einbaut, statt sie mit dem Vorschlaghammer zu platzieren.
Es wurde schon angedeutet: Längst nicht alles auf dieser Scheibe geht so glatt auf. "You Were Meant For Me" ist als Song für niemanden bestimmt, sondern vor sich hingeschrieben. Der Track nimmt nie Fahrt auf und mäandert schon früh ziellos vor sich hin, ohne Drive und Elan. "We Go Dancing" wiederum gerät musikalisch viel zu eindimensional, die schrecklichen Trompeten nerven schon nach zehn Sekunden und der Gag über Kim-Jong Uns DJ-Geschmack ist genau einmal witzig. "Take Me For A Ride" ist ähnlich überdrehter Quatsch wie der Titeltrack, der zu offensichtlich nur dem Zweck dient, die inhaltliche Songidee irgendwie zu verpacken, denn die Roadmovie-Musical-Idee dahinter geht zu keinem Zeitpunkt auf. "It's Sunny Today" ist nett, aber eher ein Interlude, denn es gelingt den beiden nicht, die Gravitas herzustellen, die der Song bräuchte.
Warum ist "The Girl Is Crying In Her Latte" trotzdem ein richtig gutes Album? Dafür würden die zuvor genannten Songs nicht reichen, weil sie dem Kosmos von Sparks auch nicht genug Neues hinzufügen. Auf einem Best-Of der Band wären das stabile B-Seiten, aber mehr nicht. Da gibt es aber noch mehr, zuvorderst den Überhit "Veronica Lake", mit den seltsamsten, großartigsten, doppelbödigsten Lyrics, die ich seit langer Zeit hören durfte. Der Song handelt vom Gegensatz der US-Munitionsarbeiterinnen zum Hollywood-Starlet Veronica Lake, die heutzutage wegen ihres verarmten Drogentodes als Synonym für die Grausamkeit der Traumfabrik gebraucht wird; alles klar, ne. Das alles drehen Sparks um eine musikalische Wendeltreppe aus einer großartigen Keyboardfigur, die den Hörer greift und erst wieder loslässt, wenn er hypnotisiert staunt, dass der Track schon vorbei ist.
Dazu kommen "Not That Well-Defined" und "When You Leave", beides Folk-Pop-Nummern, deren Genius sich nicht sofort erschließt; Grower, für die MGMT töten würden. Nicht zu vergessen der Trip ins Rabbit Hole von "Gee, That Was Fun", der Closer, der einen vordergründig sanft mit etwas Piano entlässt, bevor er sich als gemeinster Beziehungsauflösungssong überhaupt entpuppt. Sie haben ihn noch, den Spark.
4 Kommentare mit 11 Antworten
Kleine Korrektur: Falls sie es hier nicht komplett anders gemacht haben, ist Ron stets sowohl für die Komposition als auch für die Texte verantwortlich.
Ja, danke!
Komische Band. Macht eigentlich vieles richtig, aber holt mich rein gar nicht ab. Jedes mal wenn ich reinhöre nur: Eh.
Als großer Fan kann ich das nur nachvollziehen. Gäbe es jemals ein Best Of, wäre vielen als Einstieg geholfen. Solange die beiden leben, wird es das wohl nicht geben.
Die meisten ihrer Stücke brauchen nicht nur einige Durchläufe, sondern sollten den Hörer auch zur richtigen Zeit erwischen. Quasi jedes ihrer Stücke hat etwas, das keine andere Band so machen würde, und was gegen Hörgewohnheiten verstößt. Und zwar nicht auf eine offensichtliche, sondern sehr subtil sperrige Weise. Bei mir ist es entweder das Repetitive oder das Glatte, woran ich mich bei vielen Songs erst gewöhnen muß.
Wenn man musikalisch beschränkt ist, kann solche subjektive Empfindungen aufgrund fehlendem intellektuellen Rüstzeug schon mal passieren. Keine Sorge, liegt nur an deiner Inkompetenz.
Ragism, man muss sich an nichts gewöhnen. Entweder man hat einen brillianten Verstand und einen gewaltigen, musikalischen Horizont, oder man ist überforderter Amateur, der immer mit seinen intellektuellen Grenzen beschäftigt ist.
Respekt, dass du es schaffst trotz starker Konkurrenz hier die mit großem Abstand peinlichste Gestalt zu sein.
^
Muss man erstmal hinkriegen unter den beiden Lauchs wie das mit Abstand größte Opfer im Faden zu wirken.
Da es vollkommen irrelevant ist, was das gemeine Fußvolk denkt, tangiert es meine Großartigkeit nicht einmal peripher. Aber danke für die Aufmerksamkeit.
Widerspruch : Die Sparks haben viele Best of Alben gemacht.
1985 - The Best Of
1989 - Just Got Back From Heaven
1990 - Mael Intuition-The Best of Sparks 1974-76
1991 - Profile - The Ultimate Sparks Collection
1992 - The World Of The Sparks – Madonna
1993 - The Heaven Collection
1993 - The Hell Collection
2000 - The Best Of
2001 - Music History
2002 - The Best
2002 - This Album's Big Enough - The Best of Sparks
2012 - Extended-The 12 Inch Mixes
2012 - Shortcuts-The 7 Inch Mixes
2013 - New Music for Amnesiacs (Essential Collection)
2019 Past Tense (The Best Of)
Und da zu sagen das es keine Best of Alben gibt finde ich seltsam.
Na ja. Ich lasse Dein nicht aufgelistetes "Plagiarism" gelten, wo sie sich selbst auf ne sehr andere Art und Weise covern. Mit deren Beteiligung ist aber jedenfalls noch nie eine Best Of erschienen. Gut, ist etwas spezifischer für mich. Aber wenn die jeweiligen Künstler so eine Sammlung nicht abgesegnet haben, läuft so eine Veröffentlichung eher unter "Playlist" für mich. Wie man in der Doku der Sparks erfährt, ist eine offizielle "Best Of" ziemlich abwegig.
Aber danke für die Info! Ggf. kann ich so jemandem die Sparks empfehlen, wenn die Trackliste halbwegs launig ist.
New Music for Amnesiacs (Essential Collection) ist bei Lil´Beethoven Records erschienen ...die Plattenfirma haben die Sparks 2002 gegründet um ihr eigenes Material zu veröffentlichen.
hier die Playlist der 4 Cd Box:
Disc: 1
1. Wonder Girl
2. Roger
3. High C
4. Girl from Germany
5. Batteries Not Included
6. Whippings and Apologies
7. This Town Ain’t Big Enough for Both of Us
8. Amateur Hour
9. Equator
10. Talent Is an Asset
11. Barbecutie
12. Propaganda
13. At Home at Work at Play
14. Never Turn Your Back On Mother Earth
15. Something for the Girl With Everything
16. Alabamy Right
17. Hospitality On Parade
18. Happy Hunting Ground
19. Looks, Looks, Looks
20. Get in the Swing
21. Miss the Start, Miss the End
22. Big Boy
23. Nothing to Do
24. Looks Aren’t Everything
25. Tearing the Place Apart
Disc: 2
1. Goofing Off
2. Over the Summer
3. The Number One Song in Heaven
4. Beat the Clock
5. Tryouts for the Human Race (Unreleased Version)
6. When I’m With You
7. Young Girls (Single Version)
8. Tips for Teens
9. Funny Face
10. I Married a Martian
11. Angst in My Pants
12. I Predict
13. Mickey Mouse
14. Eaten By the Monster of Love
15. Cool Places
16. Popularity
17. I Wish I Looked a Little Better
18. Pretending to Be Drunk
19. A Song That Sings Itself
Disc: 3
1. Music That You Can Dance To
2. Change
3. Let’s Get Funky
4. Singing in the Shower (With Les Rita Mitsouko)
5. So Important
6. A Walk Down Memory Lane
7. Madonna
8. National Crime Awareness Week (Psycho Cut)
9. Gratuitous Sax and Senseless Violins
10. When Do I Get to Sing ‘My Way’
11. (When I Kiss You) I Hear Charlie Parker Playing
12. Tsui Hark (Feat. Tsui Hark & Bill Kong)
13. Let’s Go Surfing
14. Propaganda
15. Pulling Rabbits Out of a Hat
16. This Town Ain’t Big Enough for Both of Us (With Faith No More)
17. Bullet Train
18. It’s a Knockoff
19. Calm Before the Opera
Disc: 4
1. Concerto in Koch Minor (Wunderbar)
2. The Rhythm Thief
3. How Do I Get to Carnegie Hall?
4. My Baby’s Taking Me Home
5. Suburban Homeboy
6. I Married Myself
7. Dick Around
8. Perfume
9. The Very Next Fight
10. Metaphor
11. As I Sit Down to Play the Organ at the Notre Dame Cathedral
12. Good Morning
13. Lighten Up, Morrissey
14. Strange Animal
15. Photoshop
16. I’ve Never Been High
17. I Am a Bookworm
und hier die Tracklist der normale Doppel CD
Tracklist
CD1
01. Wonder Girl[02:19]
02. Girl From Germany[03:28]
03. This Town AinT Big Enough For Both Of Us[03:03]
04. Amateur Hour[03:35]
05. Propaganda[00:22]
06. At Home, At Work, At Play[03:07]
07. Never Turn Your Back On Mother Earth[02:28]
08. Something For The Girl With Everything[02:16]
09. Looks, Looks, Looks[02:33]
10. Get In The Swing[04:05]
11. Big Boy[03:28]
12. Nothing To Do[03:06]
13. A Big Surprise[03:40]
14. Forever Young[03:25]
15. The Number One Song In Heaven[07:28]
16. Beat The Clock[04:21]
17. When Im With You (Lp Single Version)[04:06]
18. Tips For Teens[03:33]
19. Funny Face[03:27]
20. Angst In My Pants[03:28]
21. I Predict[02:53]
22. Popularity[03:51]
CD2
01. Cool Places[03:23]
02. Pulling Rabbits Out Of A Hat[04:07]
03. Music That You Can Dance To[04:22]
04. Change[05:26]
05. Singing In The Shower (Les Rita Mitsouko and Sparks)[04:24]
06. So Important[04:32]
07. National Crime Awareness Week[03:29]
08. When Do I Get To Sing ‘My Way[04:37]
09. (When I Kiss You) I Hear Charlie Parker Playing (Radio Edit)[03:46]
10. Something For The Girl With Everything (Sparks feat. Faith No More)[03:13]
11. The Calm Before The Storm (Single Version)[03:17]
12. The Rhythm Thief[05:19]
13. How Do I Get To Carnegie Hall?[03:51]
14. Suburban Homeboy[02:57]
15. Dick Around[06:36]
16. Perfume[04:59]
17. Good Morning[03:53]
18. Lighten Up, Morrissey[04:14]
Die Platte holt mich direkt sehr viel mehr ab als "Steady, Steady Drip, Drip, Drip". Ist viel weniger verkopft, mehr catchy, viel charmanter, witziger, abwechslungsreicher. Und wie Herr Maurer schon richtig schreibt, sind die Arrangements sehr aufregend. Selbst wenn mal ein Song ne Spur repetitiv ist - immer wieder bewegt sich etwas.
Könnte sogar sein, daß sie mir mehr gefällt als "Hippopotamus" - so ganz ohne Totalausfälle ♥
Tolles Ding, wieder mal. Nach den drei starken Singles dachte ich, dass da nichts mehr für das Album übrig bleibt. Pustekuchen. Allein schon Take Me For a Ride oder Mona Lisa sind dermaßen genial, dass die unbedingt ein Video brauchen. Höre das Album derzeit rauf und runter und finde es tatsächlich sehr, sehr stark. Auf jeden Fall ein Anwärter für das Album des Jahres.