laut.de-Kritik
ProgPopRock mit kleinen, unbeugsamen Melodien.
Review von Yan VogelKleine, unbeugsame Melodien, die Riffbergen und technischen Finessen trotzen und die man gerne leicht angeschickert auf dem Nachhauseweg in menschenverlassenen Gassen trällert: Seit jeher ein Erfolgsrezept von Spock's Beard, wird es von der fünfköpfigen Progrock-Institution auf der neuesten Veröffentlichung mit dem geheimniskrämerischen Titel "Brief Nocturnes And Dreamless Sleep" zur Meisterschaft getrieben.
Nicht das es Spock's Beard an Qualität mangelt, das letzte Album "X" markierte einen Höhepunkt der Mark II-Ära um Nick D'Virgilio. Doch dessen zahlreiche Aktivitäten führten schlussendlich zum Split. Dies lässt sich zumindest musikalisch verschmerzen. Die drei verbliebenen Stammmitglieder Alan Morse, Dave Meros und Ryo Okumoto beförderten kurzerhand Tourdrummer Jimmy Kegan zum festen Bandmitglied. Mit Ted Leonard fand sich ein variabler Sänger, der obendrein ein gutes Händchen für ohrwurmtaugliche Rocksongs mit proggigem Einschlag beweist. Hiervon zeugen der Opener "Hiding Out" und der mit reichlich Stadionrock-Einflüssen angereicherte Hit "Submerged".
Spock's Beard haben längst aus der Not eine Tugend gemacht, ihren von Gott abkommandierten Frontmann Neal Morse 2002 ersetzen zu müssen. Seit dieser Zeit hilft John Boegehold, der das atmosphärische "Something Very Strange" im Alleingang komponierte, als externer Songwriter aus. Alle anderen Bandmitglieder beteiligen sich ebenfalls am Songwriting, woraus ein höchst unterhaltsamer Stilmix entsteht. Selbst Neal Morse wirkt in Teilzeit wieder mit und verleiht den Ideen seines Bruder Alan den Feinschliff. Das Ergebnis erfreut durch die Bank, sei es das auf einem knochentrockenen Riff basierende "Afterthoughts" mit den Beard-typischen Satzgesängen oder das episch angelegte, durch die typische Morsesche Melodik dennoch sehr zugänglich "Waiting For Me".
Entspanntes Zurücklehnen bei den traumhaften Refrains und Melodien von "A Treasure Abandoned" (mit sensationellem Walzer-Mittelteil und Finale furioso) oder "Something Very Strange" ist ebenso möglich wie verzücktes Delirieren zu den schrägen Riffs von "Afterthoughts" und "I Know Your Secret". Wo bei vielen Progressive Rock-Bands der Neuzeit Größen wie Yes, Gentle Giant, King Crimson oder Genesis bei Songs und Sounds Pate standen, meint man auf der neuen Platte der galaktischen Bärte vor allem ein Zugeständnis zu den deutlich zugänglicheren Hardrockgrößen wie Led Zeppelin oder den Popgiganten schlechthin, den Beatles, zu hören.
Der heimliche Star des Albums ist Tastenwizards Ryo Okumoto, der als musikalisches Chamäleon vom Nintendo-Geklimper bis zu Beethoven alles aufsaugt, was entfernt an Klang erinnert. Ebenso begeisterungs-, ja geradezu anbetungswürdig sind die zwischen Fusion, Feeling und Fucking pendelnden Gitarrenlicks von Alan Morse und der melodiöse Ton in Dave Meros Bassspiel. Im Vergleich zu dem opulent produzierten Vorgänger "X" gab die Band als Ziel heraus, alle Songs auch live ohne größere Abstriche produzieren zu können. Rich Mouser schneiderte der Band den dazu passenden erdigen und kompakten Sound auf den Leib.
Interessant mutet auch das Geschäftsmodell der Band an. Anstatt sich einen mühseligen Zeitplan von einer Plattenfirma diktieren zu lassen und ständig mit begrenztem Budget arbeiten zu müssen, startete man zum wiederholten Mal das innovative Geschäftsmodell des Crowdfundings: Beard-Fans leisteten einen finanziellen Beitrag zu der Platte und bekommen als Entschädigung eine Limited Edition mit bockstarken Songs sowie reichlich Bonus-Material. Wahrlich ein guter Deal.
5 Kommentare
Hatt ich ja gar nicht auf dem Schirm. Spock's Beard konnt ich noch immer was abgewinnen. Wird gesaugt #pirate #yolo
Scheiße das ist wieder so nen Bandname, der Interesse weckt .
Eh...also ich hör da eindeutig Kansas raus...
@Der_Dude (« Scheiße das ist wieder so nen Bandname, der Interesse weckt . »):
Benannt nach einer Star Trek Episode, in der die Crew ihre Ebenbilder aus nem Paralleluniversum trifft. Und da hat Spock nen Bart.
Hab mir mal die 7 Minuten Preview gegeben, aber das klingt mir größtenteils zu altbekannt. Für genau diesen Sound hab ich schon Transatlantic im Regal. Die ruhigeren Momente haben allerdings was für sich.
@Morpho (« Hatt ich ja gar nicht auf dem Schirm. Spock's Beard konnt ich noch immer was abgewinnen. Wird gesaugt #pirate #yolo »):
Ich find Neil Morse's Lyrics echt beschissen. Und den Typen noch dazu. The Whirlwind war musikalisch völlig okay, textlich fand ich die echt scheiße.
Und James La Brie will ich nie wieder live singen hören. Boah, fiese Nummer. Aber instrumental sind DT natürlich göttlich.