laut.de-Kritik
Faszinierende Klangwelt mit vehementen Rissen.
Review von Martin LeuteMit sakralem Chor und Holzbläsern mutet der Einstieg klassisch an und erhebt sich mit dem einsetzenden Sopran der Sängerin ins Himmlische, geleitet von sattem Beat, Synthesizertupfern und der Akustischen. Doch die Lieblichkeit ist trügerisch, ähnlich dem Blick der Künstlerin auf dem Coverartwork.
Zumal Textzeilen wie "I threw flowers in your face / on my sister's wedding day / paint the black hole blacker" wenig Gutes verheißen. Das bestätigt anschließend die derbe Gitarrenwand, die das Ambiente effektvoll verdunkelt.
Annie Clark aka St. Vincent zelebriert dieses Spiel der Kontraste immer wieder, indem sie ihre warmen, orchestralen Arrangements und cineastisch-pompösen Klanglandschaften mit kühlen Rhythmen und irritierenden Elektro- und Noise-Einlagen unterlegt.
Während der großartige Elektro-Stomper "Actor Out Of Work" von Anfang an Tempo aufnimmt und mit eingängiger Melodie sofort übers Hirn in die Beine fährt, basieren Songs wie "Black Rainbow" oder "Marrow" auf sich spannungsreich entwickelnden Dramaturgien, die die vermeintliche Behaglichkeit aus Hörnern und Chören alsbald auflösen und sich der akustischen Schmerzgrenze nähern.
Kühle Beats, verzerrte Gitarren oder überbordende Keyboardklänge sind dabei das klangliche Äquivalent zu dem Aufbegehren der häufig besungenen Frauenfiguren, die der Unerträglichkeit der eigenen Lebenswelt gegenüberstehen.
Kammerpop und Gothic-Anleihen vereinen sich in "The Bed" oder "Just The Same, But Brand New", Harmonie entfaltet "The Party" zur traurigen Pianolinie, ehe diese zum ätherischen "Uh Uh Uh"-Refrain hin sanft zu entgleiten droht.
Im letzten Song, der Hörner, Streicher und nochmals die gezupfte Gitarre aufbietet, werden erneut leichte Parallelen zu Beth Gibbons deutlich. Clark schafft Intensitäten, die von Gutlaunigkeit und poppiger Absehbarkeit weit entfernt sind, dafür eine eindringliche Faszinationskraft ausüben.
Auf dem Zweitling dieser wundersamen Musikerin steht den getragenen, zum Theatralischen tendierenden Melodien diese klangliche Wunderwelt unbändiger Instrumentalschichten gegenüber, die häufig für reichlich Unbehagen sorgen. Das ist mal befremdlich, mal verstörend, aber immer gut. Annie Clark scheint ihre merkwürdig artifiziell anmutenden musikalischen Welten nur zu schaffen, um umso vehementer Brüche und Risse zu offenbaren.
3 Kommentare
wow
das (http://www.myspace.com/stvincent) klingt absolut fantastisch!
aber das cover ist schrecklich
egal, hauptsache die musik stimmt