laut.de-Kritik

Der Gralshüter des 70s-Prog trumpft auf.

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Zur Musik von Steve Hackett passt am besten das Wort ritterlich. Er hütet den heiligen Gral der progressiven Phase von Genesis. Die Musik der Zeit seiner Zugehörigkeit bis zum 1976er-Album "Wind And Wuthering" führt er regelmäßig an den erlesensten Orten auf. Neben dieser Nachlassverwaltung geht Hacketts Solo-Werk mit "At The Edge Of Light" in die 26. Runde.

Zum klassischen Kanon des Prog pflegt er in seinen Kompositionen verschiedene Stile zwischen Klassik, Rock und Weltmusik ein. Der internationale Anspruch liest sich vornehmlich an der Gästeliste ab. An seiner Tafelrunde versammelt er Musiker aus Indien, Aserbaidschan, den USA, Island, Schweden und Großbritannien.

Als konzeptuelle Antriebsfeder dienen die Wege der Unvernunft, die trotz des mahnenden Zeigefingers der Geschichte immer wieder neu beschritten werden. "Beasts In Our Time" spielt auf ein Zitat von Neville Chamberlain an, der am Vorabend des Zweiten Weltkriegs als britischer Premier von "Peace In Our Time" sprach.

Hackett sieht in der derzeitigen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung frappierende Parallelen. Gerade bezüglich der unzähligen Krisen- und Kriegsherde weltweit scheint die rote Linie überschritten. So sehr er sich teils musikalisch ins Wohlfühlzentrum einharkt, so tief legt er textlich den Finger in die Wunde. Der Unterschied zum Vorgänger "The Night Siren" besteht nun in einer kohärenten Verarbeitung des Materials. Das im Stile britischer Rockballaden wie "Stairway To Heaven" konzipierte "Beasts In Our Time" kulminiert in einem hardrockigen Finale.

"Shadow And Flame" folgt der lyrischen Konzeption über den indischen Fluss Ganges in entsprechender Folklore. "Those Golden Wings" ist ein von Hacketts Partner Roger King fantastisch inszeniertes neoklassisches Kleinod. Der Pop in "Hungry Years" gerät dann so kitschig, dass man meinen könnte, der 68-Jährige hätte seinen Frieden mit den 80er-Jahre-Genesis gemacht.

Das eindringlichste Stück ist "Underground Railroad", ein von Gegnern der Sklaverei organisiertes Fluchthilfenetzwerk. Der akustische Blues prägt den Beginn und breitet die Geschichte aus über Sklaven, die in der Zeit vor dem amerikanischen Bürgerkrieg die Eisenbahn als Fluchtmittel benutzt haben. Dem musikalisch zurückgenommenen Storytelling folgt ein rasant Fahrt aufnehmender Hardrocker, im Zuge dessen einem der Dampf der Lokomotive förmlich in die Nase steigt.

Hackett, Spitze, eins, zwei, drei: Der Ausnahmegitarrist meistert den schmalen Grat zwischen Tradition und Innovation dank der Kombination aus Weltmusik und 70s-Prog. Aus seiner Komfortzone heraus kreiert er eindringliche Hymnen, die trotz freigeistiger Machart stets im Rahmen des Nachvollziehbaren bleiben und mit dem abschließenden, hippiesken "Peace" den Weg aus der Dunkelheit weisen.

Trackliste

  1. 1. Fallen Walls and Pedestals
  2. 2. Beasts in Our Time
  3. 3. Under the Eye of the Sun
  4. 4. Underground Railroad
  5. 5. Those Golden Wings
  6. 6. Shadow and Flame
  7. 7. Hungry Years
  8. 8. Descent
  9. 9. Conflict
  10. 10. Peace

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