laut.de-Kritik
Der zeitweilige Genesis-Sänger legt nach.
Review von Michael EdeleDen Cordhosen- und Anzugträgern unter uns mag der Namen Stiltskin vielleicht nichts sagen. Wer aber genau wie ich auf Jeans schwört, der wird sich wohl oder übel noch an den Song "Inside" erinnern, mit dem Levi's vor zwölf Jahren ihren Beinkleid-Spot unterlegt und die Schotten auf einen Schlag berühmt gemacht haben.
Dass der Sänger anschließend den nach Phil Collins Abgang vakanten Posten bei Genesis kurzfristig ausfüllte, dürften auch dem einen oder andere jeansfremden Musikliebhaber bekannt sein. Dass der Mann danach aber nicht nur mit neuer Band Cut, sondern vor allem auch solo ein paar gutklassige Alben vorgelegt hat, zählt leider fast schon zum Insiderwissen. Nun, schlappe zwölf Jahre nach dem Debüt "The Mind's Eye", hat Wilson Stiltskin reaktiviert und neue Musiker um sich geschart, um "She" aufzunehmen.
Ob man in dem Fall also von einer Reunion reden kann, ist Geschmacksache, aber immerhin war Wilson das Aushängeschild der Band, Gründungsmitglied oder nicht. Außerdem sind die Songs stellenweise nicht so weit vom Debüt entfernt, passen aber nur mit Abstrichen zu den Soloarbeiten des Sängers und Songwriters. Zusammen mit den beiden Deutschen - Gitarrist Uwe Metzler (Fanta Vier/Turntablerockers) und Produzent Peter Hoff - hat er seit 2004 an neuen Songs gearbeitet und dabei ein wirklich interessantes, eigenständiges Album geschaffen.
Mit dem Opener "Fly High" gibt Wilson schon die grobe Richtung vor. Irgendwo zwischen Velvet Revolver und Nickelback rockt sich der Schotte mit seinen internationalen Sidekicks durch eine Nummer, die flüssig ins Ohr geht und einen ordentlichen Groove hat. Vereinzelt tauchen sogar ein paar Streicher auf, drängen aber nicht in den Vordergrund. Diesen dominiert ganz klar Rays variabel Stimme, die mal sanft, mal rauh, sich ganz dem Ton der Musik anpasst.
Das relaxt beginnende "Taking Time" mündet in einen fast schon orchestralen Chorus und erinnert wohl nicht nur mich an Breitwandklänge wie bei Pink Floyd. Was allerdings das Zitat aus der Offenbarung der Bibel darin zu suchen hat, das auch Maiden verwenden, verstehe wer will. Weitere Rocknummern, in denen man den Ideenreichtum der Musiker erkennt, sind beispielsweise der Titeltrack, der auf einem recht monotonen Riff und Rays verzerrtem Gesang basiert. Dem stehen auch "Wake Up Your Mind", das mit recht wütenden Raps unterlegte "Sick And Tired" und vor allem das mit einem coolen Solo ausgestattete "Some Of All My Fears" in nichts nach.
Unauffällig, aber deswegen noch lange nicht langweilig oder banal klingt eine Nummer wie "Show Me The Way", die auch auf eine der Soloscheiben von Wilson gepasst hätte. Das Thema gescheiterte Beziehungen zieht sich wie ein roter Faden durch das Album und ist auch Thema der (Halb-)Balladen "Lemon Yellow Sun", "Constantly Reminded", oder des ein wenig abstrakt klingenden "Summer Days".
Von einer deutlich bissigeren Seite zeigt sich der Mann allerdings bei "Fame", dass auf sehr sarkastische, fast schon zynische Weise mit dem vermeintlichen Starruhm und den Pseudo-Popstar-Shows abrechnet. Den glorreichen Abschluss eines ungewöhnlich abwechslungsreichen Albums bildet schließlich das ebenfalls rockige, aber auch recht melancholische "Better Luck Next Time". Definitiv ein Album, das ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient hat, als Wilsons sträflich vernachlässigten Soloalben.