laut.de-Kritik

Wenn schon, dann doch bitte 'Nickelback heavy'.

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Stehen Stone Sour jetzt eigentlich in der Pflicht, mit "Hydrograd" zu beweisen, dass sie nicht 'Nickelback light' sind? So sehr sich Chad Kroeger mit der Aussage ins Aus geschossen haben mag (und Corey Taylor mit seiner Antwort ins In): So ganz lassen sich die Parallelen der beiden Bands halt auch nicht abstreiten. Wenn schon Nickelback des Metalkosmos, dann doch bitte 'Nickelback heavy'. Und noch was, Chad: Corey Taylor kann Hits schreiben, und die klingen teilweise fast genauso glattpoliert wie deine eigenen.

"Song #3" oder "Mercy" zum Beispiel, zwei Auskopplungen des Albums und ideale Beweisstücke für die These. Schließlich nudelt sich Josh Rand in letzterem einen ab, und Corey Taylor lässt immer wieder seine aggressivere Seite durchblitzen. Gesundes Mittelfeld an Stone Sour-Standard. Fans konsumieren brav, alle anderen zucken weiter mit den Schultern und heften zumindest die Palm-Mute-Strophe und die Schonkost-Refrains von "Mercy" unter "Joa, hab' ich mal gehört" ab.

"Song #3" bietet in dieser Hinsicht etwas mehr Substanz, quillt aber ähnlich kantenlos in Nett-Regionen. Das Metal-Äquivalent dazu nennt sich Kopfkino-tauglich "Whiplash Pants" und reitet stur und 08/15 die Welle des grimmigen Blicks. Im Schlussteil kommen Slipknot-Fans mit Staccato-Shouts auf ihre Kosten. Bellende Hunde ... ihr wisst schon.

Mangelnde Abwechslung kann man Stone Sour aber auf keinen Fall vorwerfen. Davon haben die Herren eher zu viel. Sie springen hierhin und dorthin und erzeugen ein buntes Showcase der eigenen Fertigkeiten, ohne dabei einen klaren Fingerabdruck erkennen zu lassen. Verständlich, dass die Band nach dem konzeptorientierten "House Of Gold & Bones Part 1/Part 2" eine andere Richtung einschlagen wollte und sich statt auf übergeordnetes Gut auf sich selbst, die eigenen Vorlieben und Spielspaß konzentriert. Das geht zulasten des Albums als zusammenhängende Einheit, bietet dafür jedoch für jeden etwas.

So verlassen Stone Sour für "The Witness Trees" das kompakte Rock/Pop-Songwriting und stellen musikalisches Storytelling in den Vordergrund. Die Mentalität entspricht dem "House Of Gold And Bones"-Zyklus: abgründig episch, melancholisch metaphorisch mit dezent protzigem Flair. Um sich ja nicht zu sehr in diesem Dickicht zu verfangen, kommt mit "Rose Red Violent Blue (This Song Is Dumm And So Am I)" eine Prise Sarkasmus hinterher. Man wiegt sich in synkopiertem Low-Tempo, im Chorus fliegen die Arena-Vibes.

"Rose Red ..." weckt außerdem das Gefühl, Instrumentalfraktion und Corey Taylor agierten auf einem Level, während letzterer sonst gerne in ganz anderen Dimensionen als seine Kollegen weilt. Dass der Typ aktuell einer der (wenn nicht der) vielseitigsten und stimmgewaltigsten Metal-Vokalisten ist, zeigt er auf "Hydrograd" sogar in den schwächeren Songs.

Trotzdem funktioniert natürlich auch ein Corey Taylor am besten mit einer starken Band im Rücken, weshalb der Titeltrack und "Fabuless" den stärksten Eindruck hinterlassen. Gerade in "Fabuless" zeigt Twitter-User "Mary Poppins, Y'All!" seine Bandbreite. In den aggressiven Parts sorgt er für Bewegung, im melodischen Refrain regt er zum Mitsingen an - und zum resignierten Schämen, sollte man es tatsächlich versuchen. In solchen Momenten kommen Stone Sour dann auch über Fanpleasing hinaus und bieten Mehrwert zu den Vorgänger-Alben.

Der wäre wohl in der Wahrnehmung noch höher ausgefallen, hätten es statt fünfzehn nur zehn oder elf Tracks auf "Hydrograd" geschafft. Neben "Mercy" und "Whisplash Pants" könnte man nämlich auch "Friday Knights", "Somebody Stone My Eyes" und "Thank God It's Over" getrost streichen. Dann wäre die zweite Hälfte der Platte weniger zerfasert und Ausreißer à la Country-Liebelei "St. Marie" kämen noch besser zur Geltung. Die Slipknot-Halbballade "When The Fever Broke" hätte auch einen nicht ganz so schweren Job, am Ende doch wieder alles auf Kurs zu richten.

Trackliste

  1. 1. YSIF
  2. 2. Taipei Person/Allah Tea
  3. 3. Knievel Has Landed
  4. 4. Hydrograd
  5. 5. Song #3
  6. 6. Fabuless
  7. 7. The Witness Trees
  8. 8. Rose Red Violent Blue (This Song Is Dumb And So Am I)
  9. 9. Thanks God It's Over
  10. 10. St. Marie
  11. 11. Mercy
  12. 12. Whiplash Pants
  13. 13. Friday Knights
  14. 14. Somebody Stole My Eyes
  15. 15. When The Fever Broke

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6 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 6 Jahren

    Einen Punkt mehr hättet Ihr geben können.

    Wieso sollen Songs wie "Whispalsh Pants" gestrichen werden? Sind doch coole Tracks.

  • Vor 6 Jahren

    3 Punkte gehen in Ordnung. Songs sind ok aber ob man sich das oder die letzten 3 Alben anhört. Alles das gleiche.

  • Vor 6 Jahren

    Corey ist wirklich ein riesen Sänger und ohne diesen Maskenfetisch auch viel authentischer. Vielen Songs fehlt leider die Tiefe, dafür haben Stone Sour aber immer fiese Ohrwürmer parat. 3/5

  • Vor 6 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 6 Jahren

    stone sour ist nicht nickelback light oder umgekehrt die beiden bands sind einfach gleich und beide lead sänger schleimige selbstverliebte idioten wobei corey sich besser verkaufen kann

    • Vor 4 Jahren

      Corey Taylor ist ein Arbeitstier durch und durch, fast schon besessen davon Musik zu machen und diese live zu performen. Selbstverliebt oder schleimig finde ich daran nichts wenn man aus Respekt vorm Fan in einem Zustand auf die Bühne geht in dem jeder andere ein Krankenhaus aufsuchen würde. Der Mann lebt was er tut zu 100%. Bei Chad geh ich bei selbstverliebtem Idioten definitiv mit, aber Corey ist eine Figur im Musikbusiness von der ich sehr gerne mehr hätte.

  • Vor 3 Jahren

    Ich muss zugeben, dass mir Corey Taylor so als Typ einfach recht sympathisch ist. Der ist locker, in Interviews auch mal selbstironisch und (im Gegensatz zu vielen Anderen in der Szene) auch kritikfähig. Dazu kommt, dass ich seine Stimme mag und das Soundgerüst wirklich passt. Dass das natürlich technisch nicht A-Liga ist sollte klar sein.