laut.de-Kritik

Metal und Buddhismus? Warum nicht!

Review von

Nach den hervorragenden Kollabo-Platten mit Scott Walker ("Soused") und Ulver ("Terrestrials") servieren Sunn O))) nun wieder ein eigenes Game of Drones. Obwohl das letzte Werk des Duos O'Malley/Anderson ("Monoliths & Dimensions") mittlerweile sechs lange Jahre zurück liegt, sieht es zunächst so aus, als habe sich kaum etwas geändert. Mit Co-Produzent Randall Dunn (Neurosis, Wolves In The Throne Room, Boris), Steve Moore (Earth, Zombi), Oren Ambarchi und Hausfreund Attila Csihar (Mayhem) ist einmal mehr die erweiterte Sunn O)))-Familie beisammen.

Die siebte Studioplatte legen die Avantgarde-Metaller aus Seattle thematisch als buddhistisch geprägtes Konzeptalbum an. Drone-Metal und Buddhismus? Warum nicht! Gerade der mantrische Charakter ihrer zyklischen Drones passt hervorragend in ein gemeinsames Klangbild. Wie so oft geht es im Hause Sunn O))) auch diesmal nicht ohne übergeordnete Philosophie.

Als spiritueller Rahmen fungiert hier vor allem der Name "Kannon". Er bezeichnet sowohl den Titel des Albums als auch jedes einzelnen der drei Tracks von "Kannon 1" bis "Kannon 3". Damit setzen sie bewusst jede einzelne Note und Sekunde als Huldigung ins Verhältnis zum japanischen Shingon-Buddhismus.

"Kannon" bzw. eigentlich "観音" ist ein überirdisches, weibliches Wesen der Erleuchtung (Bodhisattva), das den Menschen auf ihrem leidvollen Lebensweg mit Güte und Mitgefühl zur Seite steht. Im ostasiatischen Volksglauben genießt sie verbreitet die Verehrung als Göttin. Als solche nimmt sie aus dieser Welt alle Schreie schmerzvoller Qual in sich auf und transzendiert diese zu Trost oder Hilfe.

Genau hierzu liefern Sunn O))) die akustische Entsprechung. Über eine Distanz von knapp 35 Minuten entsteht eine ungewöhnlich homogene Einheit aus Gegensätzen. Chaos trifft Struktur, Improvisation trifft Collage. Dabei gelingt ihnen musikalisch ein Yin & Yang-würdiges, dualistisches Kunststück. Ihre Klänge spiegeln einerseits Pein, Finsternis oder Verzweiflung. Gleichzeitig symbolisiert dieses Gemisch aus Doom, Drone und Metallic-Ambient auch die fließend transzendentale Heilung.

Das Hörerlebnis gelingt ihnen dabei gewohnt berührend und intensiv. Trotz aller metaphorischen Spiritualität: Diese Musik ist deutlich mehr Metal in dessen ursprünglichem Sinn als zuletzt. Gedehnter, in seine Einzelteile zerlegter Drone-Doom mit Katakomben-Vocals. Ihre typisch angeschredderten Lava-Gitarren durchströmen jeden Track zäh wie Marmelade aus der Hölle. Immer wieder eruptiv unterbrochen von tonnenschweren Riffs, neben denen selbst Doom-Urvater Iommi in seinen schleppendsten Black Sabbath-Momenten wie hektischer Speed-Metal wirkt.

Trotz stilistischer Ähnlichkeit unterscheiden sich die drei Stücke recht deutlich voneinander. "Kannon 1" fließt zur Einleitung dahin wie ein Mahlstrom. In "Kannon 2" schreien die gemarterten Sechsaiter ihr Innerstes gen Göttin aus, während die Vocals ein nahezu sakrales Mantra-Ritual skandieren.

Das finale "Kannon 3" klingt dagegen, als verwandle sich ein stehendes Gewässer durch die wuchtig-stählernenen Anschläge peu à peu in einen Hochofen. Die Stimmen kippen im Verlauf vom messianischen Grundton des Mittelteils ins Morbide. Es klingt, als mutiere ein archaischer Hohepriester so langsam wie unaufhaltsam zum geifernden Dämon. Letzten Endes funktioniert solche Musik bei Seancen oder schwarzem Sabbath sicherlich genau so gut wie im hiesigen Buddha-Kontext.

Die künstlerische Subtilität Sunn O)))s und das unfehlbare Händchen für Stimmungen macht ihre atmosphärischen Veränderungen dabei zum Spektakel. Unbedingte Kaufempfehlung für Buddhisten und Schwarzkutten gleichermaßen.

Trackliste

  1. 1. Kannon 1
  2. 2. Kannon 2
  3. 3. Kannon 3

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