laut.de-Kritik

Für kathartische Moshpit-Momente.

Review von

Wohin will Tamas? In das "Intro" seines dritten Albums presst er Sozialkritik, Eskalation und plakative Emotionen. "Tod, Verderben, Mord und Frust, Liebe, Leid, Sehnsucht und Lust", schreit er der desorientierten Hörerschaft entgegen. Die gerade einmal einminütige Eröffnung mündet in einem für sich werbenden Glücksversprechen: "Wenn diese Welt dich auch verrückt macht, dann komm' mit uns und werd' glücklicher." Doch "Stress" fällt alles andere als erbaulich aus, sondern vielmehr völlig chaotisch. Im besten Fall unterstützt es eine Handvoll kathartischer Moshpit-Momente.

"Ich wache jeden Morgen auf, nehme das Handy in die Hand, guck' auf Follower und frag' mich, wer kennt den Dreck, den ich so mach'." Mit punkiger Attitüde täuscht der ehemalige Rapper in "Geldregen" kurz an, die Abhängigkeit von Social Media aufzugreifen. Spätestens nach drei Versen verliert er jedoch schlicht das Interesse an jedem Thema. Tamas spricht über Alkohol- und Drogensucht, deutet Kollegen- und Medienkritik an, fordert Solidarität und den gemeinsamen Ausbruch aus Teufelskreisen ein und beanstandet Polizeiwillkür. Das alles rauscht vorbei oder landet auf der mentalen Müllkippe.

Für "Wut" liegen bekanntlich genügend Gründe vor. Tamas sollte sie zu seinen Metal-Klängen allerdings auch klar benennen, ohne Menschen zu dämonisieren ("Der Teufel sitzt im Reichstag") oder sie vage in Täter- und Opfer-Gruppen einzuteilen ("Wir sind voller Wut, ihr seid daran schuld"). Zumindest erklärt sich damit, weshalb er in "Ruinieren" ziellos seine Aggression kanalisiert: "Gehen raus, zünden an, was uns gerad' in den Weg kommt." Sein destruktives Verhalten führt dazu, dass er im selben Song den Drogenkonsum als zentral für eine Beziehung darstellt, die schon ein Lied später zerbricht.

"V-Frau" erzählt zumindest eine amüsante Geschichte. Tamas verliebt sich Hals über Kopf, bis ein schrecklicher Verdacht in ihm keimt: "Ich glaube, meine Frau ist eine Polizistin." Leider fehlt der vergnüglichen Story völlig die Pointe. Besser fährt er da schon, wenn er sich von jeglichem inhaltlichen Ballast befreit, um mit Swiss, Crystal F und Co. auf "Flüssen aus Blut" zu treiben und dabei hemmungslos freizudrehen. Das in weiten Teilen instrumentale "Visar" wiederum fasst die Sinnlosigkeit seines Schaffens zusammen und zeigt ihn als verletzlichen Charakter mit suizidalen Gedanken.

Letztlich findet sich auf "Stress" aber nur ein wirklich stimmiges Stück. Und das hat Tamas seinem Kollegen Tarek zu verdanken, der Struktur, Gefühl und ein greifbares Thema in "War Das Alles" durchsetzt. Alt, krank und isoliert fristen die beiden einstigen Musiker ihre letzten Tage im Pflegeheim. "Der Preis für ein langes Leben ist die Einsamkeit. Die harten Jungs in der Glotze, die waren damals wir", reflektiert der immer tiefer in der Demenz versinkende K.I.Z.-Rapper, "Schrei' nach meiner Frau, doch sie ist tot seit zwanzig Jahren."

Am Ende verbleibt für die beiden nur die Frage, ob sie ihre Zeit sinnvoll genutzt haben. Selbst der leicht schiefe Gesang wirkt in diesem emotionalen Setting äußerst charmant. "Erinnerungen an früher sind verblasst und fort", konstatiert dann auch der zukünftige Tamas. Eine gewisse Form der Amnesie muss ihn aber bereits heute im Griff haben. Denn "War Das Alles" verfliegt als gefühlvolles Intermezzo. "Wir sind immer schon dagegen! Landen hinter Gittern, weil wir nicht so sind wie ihr", schreit es dem Hörer schon im folgenden Song entgegen. Worum ging es noch gleich?

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Geldregen
  3. 3. Wut
  4. 4. V-Frau
  5. 5. Ruinieren
  6. 6. Meine Droge
  7. 7. Weg
  8. 8. Flüsse Aus Blut (mit Taha, Swiss, John ODMGDIA und Crystal F)
  9. 9. Faustschlag
  10. 10. War Das Alles (mit Tarek K.I.Z.)
  11. 11. Dagegen
  12. 12. Meatlicker
  13. 13. Mir Egal
  14. 14. Visar

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1 Kommentar mit 10 Antworten

  • Vor 2 Jahren

    Ach der Lifestyle-Linke der mit Kontra K und seinen Nazi-Kumpels hängt.

    • Vor 2 Jahren

      Kampfsportszene, Türsteher, Haft, handwerkliche Berufe, das Milieu oder einfach bestimmte Teile Deutschlands. Manchmal passiert es, dass man Nazis in seinem Umfeld hat. Ich hab 2 oder 3 Leute im erweiterten Freundeskreis die eine rechte Gesinnung haben. Wenn es um Politik geht sag ich denen auch, dass ich ihre Einstellung behindert finde. Gab deswegen noch nie ernsten Streit. Ich will Nazis nicht gut reden aber nicht jeder ist ein Teufel. Und nicht jeder der einen kennt gibt damit seine stille Zustimmung zu diesem Denken. Ist doch menschlich wenn mein Umfeld divers ist. Mit 16 kannte ich einen Araber der immer mit Thor Steinar Klamotten rumgerannt ist. Und im Knast saßen ein Schwarzer und ein Typ mit Nazitattoos immer bei der Freistunde zusammen und haben fröhlich Karten gespielt. Kontra K und Tamas machen schlechte Musik aber die zu verurteilen weil sie mit Leuten arbeiten/rumhängen die rechts sind finde ich ein bisschen kurz gedacht. Die Welt ist komplizierter als "alle linken sind gut und alle rechten sind böse".

    • Vor 2 Jahren

      Als jemand, der in ähnlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, sage ich nein. Gegen Nazis hat man im besten Falle vorzugehen oder sich mindestens zu distanzieren. Irgendwelche Relativierungen anzustreben ist nur produktiv in die falsche Richtung und begünstigt Eskalationen, von denen viele Leute hinterher nichts gewusst haben wollen. Diese Leute waren immer vorher schon scheiße und jeder wusste es, aber keiner hatte die Eier, was dagegen zu unternehmen.

    • Vor 2 Jahren

      Klar, richtige gute Idee sich von allen zu distanzieren, damit sie isoliert sind, unter sich bleiben und es schwerer haben sich loszusagen und auszusteigen.

    • Vor 2 Jahren

      Auf lange Sicht produktiver als verfassungs- und vor allem menschenfeindliche Ansichten in seiner eigenen Mitte zu dulden und sich am Ende zu wundern, wenn diese Leute dann wirklich gewalttätig werden oder öffentlich irgendeinen Unfug von sich geben und man als Kumpel auf einmal mit drin hängt.

    • Vor 2 Jahren

      Wie hängt man da denn mit drin? Und wieso muß einen das belasten? Nicht, daß jeder Rechte es wert ist, sich um ihn zu bemühen. Wenn es Bekannte sind, finde ichs aber leicht zu sagen "Halt die Fresse mit dem gehässigen Mist", und solange das respektiert wird, finde ich es auch sinnvoller, den Kontakt zu halten.

      Die kaputte BRD hat vor kurzem ja fatalerweise EXIT die Subventionen samt Status als gemeinnützige Organisation gestrichen. Die Geschichten da sagen ganz klar, daß aus der braunen Szene auszusteigen den kompletten Abbruch aller Kontakte bedeute. Dazu kommt dann die Scham, die es einem nicht erleichtert, neue Kontakte zu knüpfen.
      Einem flüchtigen Bekannten von mir erging es genau so. Er verabschiedete sich von den kranken Überzeugungen, stieg aus der Szene aus, fand dann eine Weile keinen Anschluss, und warf sich schließlich vor einen Zug.

    • Vor 2 Jahren

      Ich denke es gibt noch etwas zwischen "verfassungs- und vor allem menschenfeindliche Ansichten in seiner eigenen Mitte zu dulden" und "Gegen Nazis [...] [vorgehen] oder sich mindestens [...] distanzieren". Und zwar sich nicht a priori distanzieren und verfassungs- und menschenfeindliche Ansichten nicht dulden.

    • Vor 2 Jahren

      @Ragism: Der letzte Absatz wäre zutreffend, wenn es um genau solche Personen gehen würde. Tut es aber nicht. Es geht um in der Öffentlichkeit und publizierende Personen wie Tamas und Kontra K, die mit Leuten aus der rechten Szene abhängen. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum deine Reaktion auf Nazi-Freunde das Mitleid mit hypothetischen und realen suizidalen Aussteigern darstellt. Vollkommen fehlgeleitete Denkweise. Genau dasselbe gilt für Capslocks Antwort mit der Isolation. WTF. Sich gegen Nazis zu positionieren und der Umgang mit Aussteigern sind zwei paar Schuhe. Und wenn man mit diesen Leuten abhängt, als wären das irgendwelche normalen Kumpels, sendet man absolut falsche Signale, nämlich dass es okay ist und das rechtes, intolerantes Gedankengut irgendeinen Platz neben allen anderen hätte und nur einen alternativen Lebensstil darstellt.

    • Vor 2 Jahren

      Der rechte Aussteiger hat eben mehr Empathie zu erwarten als der linke Einsteiger ;)

    • Vor 2 Jahren

      So höret, dass der Geschundene, der den Menschen tat viel Leid nun Gottes Segen erhält und der, der bei Brot und Wein mit Seinesgleichen die verlieb'nen Haare spalten tut, nun am Tage den Weg zur Hölle reiten muss, denn das Unglück, dass der Geschundene den Brüdern seinen Anblick schenkt und ihnen aufzeigt, dass er tief im Abgrund stecke, die Brüder hingegen haben Gottes Schrift entschlüsselt, ist das Seine, denn er muss nun fürchten, dass die Brüder von Brot und Wein keine Verwendung mehr für ihn zu haben scheinen, denn er ist Ihresgleichen und der Geschundene erzählt die Beichte und stattet alle mit Gold aus bis zum Ende ihrer Tage, denn nun ist's einer weniger, der das Gold nimmt, obwohl sein Haupt war das selbe wie das der Brüder und er versteht die Welt nimmer. Doch es geht um Brot und Wein und dass der Geschundene des Esels Exkremente fressen muss, der alte Bruder hingegen ist nun Vogelfrei und wird des nächste Mal lieber Ketzer als Haarspalter. Passiert's drei Male im Sommer, so ist's Dorf in Gefahr!

    • Vor 2 Jahren

      @Cooli: Das ist natürlich ne andere Sache. Wir sind nur schon mehr Richtung privates Umfeld gewandert, oder? Für ne öffentliche Person sollte es eigentlich selbstredend sein, sich von solchen Kantholzköppen fernzuhalten.