laut.de-Kritik

Das geht größtenteils ins knappe Höschen.

Review von

Klug kalkuliert bringt sich die gefallene Schlagerprinzessin nun im Frühjahr 2006 zurück ins Gespräch: Auftritt mit unmöglicher Frisur (Marke "Udo-Walz-frisiert-zum-Tuntenball") in der Weichspüler-Quasselbude der Fußballkommentatoren-Katastrophe Beckmann. Ein schickes Playboy-Shooting sorgte für zusätzliche Aufmerksamkeit. Darin zeigte sich die Sängerin als Leckerli inclusive sehenswertem Nippelalarm, auch wenn der Herrgott alle Pracht nicht ganz alleine schuf.

Hinter Tanja Thomas verbirgt sich Schlagersängerin Michelle, bürgerlich Tanja Oberloher, geborene Hewer. Anfang der neunziger Jahre startete sie ihre Karriere als Schlagersängerin und entwickelte sich zu einer der erfolgreichsten Künstlerinnen ihres Genres. Beruflicher Höhepunkt war Michelles Grand Prix-Auftritt für Deutschland, mit dem sie Platz acht belegte – ein respektables Resultat. Besonders im Vergleich zu später folgenden Nullnummern wie jener mittlerweile vergessenen Nichtsängerin Gracia, die völlig verdient auf dem letzten Platz landete.

Doch danach folgte ein Karriereknick: Depressionen und ein Suizidversuch überschatteten die Erfolgsstory der Sängerin. In der Klatschpresse war Michelle zuletzt häufiger zu Haus als in den Hitparaden. Da war die Affäre mit dem bohlenknittergesichtigen Brachialschlager-Rübezahl Matthias "Matze" Reim. Eine jüngere Schwester tauchte auf, die sich nicht scheute, für die Bild-Zeitung allerlei Hüllen fallen zu lassen.

Die Aussage des Tagesschau-Sprechers Jens Riewa, Michelle sei "eine Granate im Bett", geisterte durch die Gazetten. Allerdings musste der smarte Jens diese Aussage später zurücknehmen: Es sei nichts gelaufen, setzte Michelle durch. Böse Zungen munkelten ohnehin, dass das Ganze nur eine abgekartete Affäre gewesen sein soll, weil der Sprecher-Schönling … doch Schluss mit der Klatschpressen-Sudelei, zurück zum Wesentlichen.

Immerhin scheint die Aufmerksamkeit für ihre musikalischen Rückkehr dank Playboy gesichert. Unter dem neuen Pseudonym Tanja Thomas kommt Michelle nun ein Album lang als Disco-Queen der siebziger Jahre daher – und das geht gewaltig ins knappe Tanga-Höschen.

14 Titel und einen Megamix lang präsentiert Tanja ihre Versionen von klassischen Disco-Hits der legendären siebziger Jahre. Die Tracklist präsentiert sich überwiegend appetitanregend: Eine Menge geschätzter Kracher jener goldenen Tage sind hier versammelt, und nicht wenige sind dem rezensierenden Zeitzeugen in ausgesprochen guter und wohlwollender Erinnerung. Zum Start steht Tanjas Version von Donna Summers Klassiker "On The Radio" auf dem Programm. Die Instrumentierung hält sich ans Original, die Sängerin bemüht sich – aber irgendetwas fehlt.

Und nicht nur eine Kleinigkeit, das bringt der nachfolgende Amii Stewart-Fetzer "Knock On Wood" bereits sehr früh ans Tageslicht: Herz und Seele der Originaltitel. Das größte Manko von "My Passion" liegt in der allzu großen Nähe zum Original. Das Producer-Team und Tanja versuchen nicht, zu interpretieren – sondern einfach nur, nachzuspielen und nachzusingen. So erinnert das Album an jene Billig-Langspielplatten der Seventies, auf denen unbekannte Studiosänger zu möglichst naturgetreuem Arrangement die jeweils aktuellen Hits einfach nachäfften – als 5-Mark-Billig-Variante zum sündteuren K-Tel-Sampler mit den Originalstars.

Ein Totalausfall ist Tanjas Version von Penny McLeans verehrungswürdiger "Lady Bump". Die Intro-Umänderung mit männlicher Stimme mag im Verhältnis zur Restsuppe sogar noch als total innovativ angehen, aber dann wird's nur noch verpatzt: Die Seele des Songs, jener kernige Urschrei (den im Original Penny auch nicht sang, sondern Studio-Sängerin Gitta Walther) findet nicht statt und wird durch etwas Schwammiges ersetzt, das eine Orgel sein könnte. Man stelle sich vor, die Stones spielen "Satisfaction" ohne Keith Richards geniales, Geschichte schreibendes Gitarrenriff! Genau. Das geht nicht, das funzt einfach nicht.

Baccara galten schon zu ihren "Yes Sir, I Can Boogie"-Hoch-Zeiten als klebrige Zumutung. Tanja legt das noch eine Etage tiefer in die nervigen Plastikpop-Schublade. Zurück bleibt der fade Aufguss eines eh missratenen Oldies. Ein besseres Händchen ist da die Wahl des wunderbaren Louisa Fernandez-Heulers "Lay Love On You", bei dem gerade im Refrain Tanja ganz gut die Kurve kriegt: Schwelgerisch legt sie sich herein und zaubert für Augenblicke authentische Disco-Atmosphäre. Und doch fällt ihre Interpretation im Vergleich zum Original ab: Die verführerische, mit spanischem Akzent gefärbte Stimme von Louisa Fernandez war einfach um einige Grade prickelnder und sinnlicher.

Ganz passabel gelungen ist "Gonna Get Along Without You Now" von One Hit-Wonder Viola Mills, in dem Tanja endlich einmal nicht so angestrengt nach Stimmidentität suchend klingt. Dieser Track schwebt angenehm und federleicht daher. Ein erneuter Tiefschlag folgt bei Alicia Bridges "I Love The Nightlife", dessen Original auch heute noch mit seiner kräftigen, authentischen Soul-Farbe punktet. Tanja und Black Music – zwei völlig verschiedene paar Schuhe. Ohne Seele gibt's halt keinen Soul.

"My Passion" – Von echter Leidenschaft ist kaum etwas zu spüren in Tanjas Recycling-Küche. Das Problem ist nicht, dass hier jemand versucht, aus seiner angestammten Ecke herauszufinden. Ein Problem wird es erst, wenn es misslingt. Michelle/Tanja hat sicher ein herzallerliebstes Glocken-Stimmchen. Doch das ist nicht in jedem Genre überzeugend einsetzbar. Für melodisch hübsch gestrickte Songs wie "Ich Schicke Dir jetzt Einen Engel" ist sie hingegen wie gemalt – da haucht Michelle der toten Tante Schlager ohne Frage echtes Leben ein.

Doch wenn das, was eigentlich Personality sein soll, überwiegend in bunten Magazinen und der Klatschabteilung der Boulevardpresse stattfindet, fehlt einfach der Glaube des Hörers in die Wahrhaftigkeit der Arbeit. Tanja Thomas' Dance-Night findet statt unter erloschener Disco-Kugel. Das Booklet mit seiner angestrengten Seventies-Retro-Optik fällt ebenfalls recht bemüht und erkennbar unecht aus. Kein Nippelalarm bei Tanja Thomas – das beherrscht Michelle da schon besser. Oder Frau Oberloher. Oder Fräulein Hewer. Fragen wir am besten "Matze" Reim. Oder Jens Riewa. Oder den Playboy-Fotografen. Irgendeiner weiß das sicher besser.

Trackliste

  1. 1. On The Radio
  2. 2. Knock On Wood
  3. 3. Just An Illusion
  4. 4. One Way Ticket (To The Blues)
  5. 5. Gloria
  6. 6. Yes Sir, I Can Boogie
  7. 7. Dance Little Lady Dance
  8. 8. Lay Love On You
  9. 9. Ring My Bell
  10. 10. Lady Bump
  11. 11. I Love The Nightlife
  12. 12. Late At Night
  13. 13. I Love To Love
  14. 14. Gonna Get Along Without You Now
  15. 15. Megamix

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