laut.de-Biographie
Tanzwut
Tanzwut heißt das elektronisch verstärkte Alter Ego der Mittelalter-Barden von Corvus Corax. Musizieren Corvus Corax hauptsächlich auf Mittelaltermärkten, brauchen Tanzwut natürlich Clubs mit Steckdosen.
Die Idee, auch elektronisch verstärkt und verzerrt das Volk zu unterhalten, haben sie bereits 1996, doch erst 1999 erscheint auch das Debütalbum.
Standen Corvus Corax unter den Mittelalter-Freunden recht hoch im Kurs, verscherzen sie es sich mit der Veröffentlichung von "Tanzwut" und auch mit einigen Kommentaren in der Öffentlichkeit über musikalisch ähnlich gelagerte Bands wie In Extremo oder Subway To Sally doch mit einigen Fans.
Im Song "Exkremento" etwa üben sie sich ziemlich im Dissen, auch mit den deutlichen Rammstein- und Laibach-Anleihen können sich viele alte Anhänger nicht so recht anfreunden. Die elektronischen Beats, zusammen mit Gitarre, Dudelsäcken und tiefem Sprechgesang sind nun mal nicht jedermanns Sache.
Doch so leicht lassen sich Teufel (Gesang), Brandan (Gitarre, Dudelsack), Castus (Drehleier, Schalmeien, Dudelsack, Drumscheit, Sister, Gesang), Wim (Dudelsack, Schalmeien), Koll.A (Dudelsack, Schalmeien) und Tec (Keyboards, Programming) nicht von ihrem Ziel abbringen. Sie bringen 2000 "Labyrinth Der Sinne" heraus. Das scheint schon eher Anklang zu finden. Vielleicht haben In Extremo den Weg aber inzwischen auch für solche Musik geebnet.
Tanzwut entwickeln immer stärker eine eigene Identität und sparen auch nicht bei der Entwicklung neuer Ideen für Bühnenoutfit, Instrumente und Dekoration. Auch personell verstärkt sich die Band: Mit Patrick haben sie einen neuen Gitarristen und mit Norri (Ex-Depressive Age, Dance Or Die) einen richtig guten Drummer im Line-Up. In dieser Besetzung erscheint Anfang Mai 2003 ihr drittes Werk "Ihr Wolltet Spass".
Die Wichtigkeit der mittelalterlichen Instrumente tritt, für einige Fans sehr bedauerlich, noch ein Stück mehr in den Hintergrund. Um so mehr Wert legen sie auf ihre Live-Umsetzung. Tanzwut engagieren einen Filmkünstler, um die Videoprojektionen anzufertigen, die sie über einen Projektor zu bestimmten Songs einspielen.
In Mexiko begeistern sie mit ihrer Show über 16.000 Fans und setzen ihren Triumphzug auch in Deutschland fort. Anfang Mai 2004 spielen sie in der Münchner Muffathalle einen eindrucksvollen Gig, den sie mit mehreren Kameras und Mikros aufzeichnen und Mitte November als DCD und/oder DVD unter dem schlichten Titel "Live" veröffentlichen. Darauf gibt es neben dem zweistündigen Konzert noch 80 Minuten Bonusmaterial, das die Band unter anderem beim Instrumentenbau, in ihrer heimischen Umgebung und bei einem ihrer ersten Gigs aus dem Jahre 1998 zeigt.
Die folgende Zeit steht allerdings ganz im Zeichen von Coruvs Corax, die mit "Cantus Buranus" wirklich Großes leisten. Auch im Line-Up steht der ein oder andere Wechsel an. So sind neben Wim, Teufel, Castus, Patrick und Norri inzwischen noch Ardor und Hatz dabei.
Leider hat es aber den Anschein, als ob die Inspirationen für Tanzwut nicht mehr so ganz reichen. Statt zu kreieren, kopieren sie auf "Schattenreiter", das 2006 erscheint, eher. Das Album liegt Anfang April als Doppel-CD vor, könnte aber nicht mal als Einzel-CD komplett mit überzeugenden Songs aufwarten: sehr enttäuschend für Musiker dieses Kalibers. Im selben Jahr verlässt Castus die Band. Wim wirft dann 2010 das Handtuch, so dass Teufel als einziges Gründungsmitglied zurückbleibt. Das Besetzungskarussel dreht sich auch die nächsten paar Jahre munter weiter. Spätestens seit 2012 zählen jedoch René (Guitar), Der Zwilling (Bass), Shumon (Drums), Pyro (Sackpfeife) und Bruder Schlaf (Sackpfeife) zum festen Kern.
In den folgenden Jahren perfektionieren Tanzwut ihr Showkonzept und charten regelmäßig. Im Laufe dieser Zeit weicht jegliche moderne Instrumentierung einem Klangbild, das authentisch den längst vergangenen Zeiten huldigt. 2014 erscheint ihr achtes Studioalbum "Eselsmesse". Die Platte bietet beste Genrekost in perfekten Arrangements, deren Entwicklung der Gesang nicht immer ganz folgen kann.
Der Hunger nach Konzeptalben ist danach längst nicht gestillt. Nur elf Monate später hauen Tanzwut mit "Freitag Der 13." ein weiteres Album raus, das thematisch Song für Song von Aberglauben und ähnlichen Überzeugungen handelt. "Schreib Es Mit Blut" von 2016 besitzt zwar kein übergeordnetes Thema mehr, aber dafür eine Handvoll Gassenhauer mit schönen Melodien.
Damit finden Tanzwut zur musikalischen Qualität früherer Tage zurück. Daran knüpft 2019 auch "Seemannsgarn" an, das vor allem mit harter Metal-Schlagseite punktet. Dennoch kommen Sackpfeifen-Klänge nicht zu kurz. Weiterentwicklungen vernimmt man auch auf dem 2021er-Nachfolger "Die Tanzwut Kehrt Zurück", auf dem sich die Berliner wieder dem elektronisch verstärkten Sound ihrer ersten Alben zuwenden.
2023 feiern Tanzwut Silberne Hochzeit mit einem gleichnamigen Album, das zwölf Klassiker in einem neuen Gewand bietet. "Achtung Mensch!" knüpft ein Jahr später nahtlos an "Die Tanzwut kehrt Zurück" an. Textlich geht es dabei etwas persönlicher und nachdenklicher zur Sache.
Somit bereichern die Berliner ihre Musik stets um neue Nuancen, bleiben aber auch gleichzeitig ihren Wurzeln treu.
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