laut.de-Kritik

Die späte Rückkehr der alten Zankäpfel.

Review von

"Everybody loves a happy ending" – in der Tat. Im Falle von Tears For Fears warteten die Fans 15 Jahre lang auf eine Versöhnung ihrer Lieblinge, denn so lange ist es nun her, dass Curt Smith nach einem Benefizkonzert in Knebworth recht abrupt die Entscheidung traf, sein Leben nach New York zu verlegen, um dort ganz neu anzufangen. Ob es alleine die neue Frau in seinem Leben war, die einen Keil zwischen Smith und seinen Partner Roland Orzabal trieb, oder ob tatsächlich die auch auf aktuellen Promozetteln wieder bemühten kreativen Differenzen über die in Wahrheit finanziellen Differenzen hinwegtäuschen sollen, bleibt das Geheimnis des englischen Duos.

Nun, da ein erneuter, 14 Song starker Liebesbeweis mit einem unmissverständlichen Albumtitel vorliegt, sollten diese alten Geschichten, wie die Band sie wohl nennt, endlich ausgeräumt sein. In den Jahren nach der Trennung konnte man sich nämlich noch weniger riechen als die Zankäpfel von Duran Duran, was ja einiges heißt. Vor fünf Jahren trafen sich die erfolglosen Solokünstler Orzabal und Smith erstmals wieder, begutachteten die inzwischen entstandenen Homestudios des jeweils anderen und wählten, da "Sowing The Seeds Of Love" als Albumtitel schon vergeben war, eben etwas ähnlich Plakatives.

Vorweg: Das Tears For Fears-Comebackalbum, was man wohl ohne falsche Scham als solches bezeichnen darf, ist nicht unbedingt schlecht, schon gar nicht peinlich, aber eben in unglaublichem Maße erwartbar, und allzu oft auch ziemlich langweilig. Das Album klingt exakt so, wie man es eigentlich im Jahr 1993 erwartet hätte, da Tears For Fears weder neue kompositorische Wege beschreiten, noch aufregende Computersounds verwenden. Es ist allerdings nicht die Stagnation, die zu denken gibt, sondern die Lustlosigkeit, mit der Songs wie "Size Of Sorrow", "Quiet Ones", "Who You Are" oder "Secret World" den Status Quo zweier nachweislich hervorragender Songwriter markieren, die u.a. Popklassiker wie "Mad World", "Shout" und "Pale Shelter" geschrieben haben.

Den Elektro-Pop ihrer Frühphase legte das Duo jedoch bald zu den Akten, um sich mit den "Seeds Of Love" als neuzeitliche Bewahrer vertrackten Beatles-Liedguts zu outen. Der "Sgt. Peppers"-Opener nun könnte hervorragend als zweiter Teil des 89er-Hits funktionieren, der sich aufgrund des instrumentalen Beginns auch problemlos an die alte Nummer anhängen ließe, was insgesamt zu einer zehnminütigen "Bohemian Rhapsody" führen würde. Auch im weiteren Verlauf kommt die auf dem Cover furchtlos zur Schau gestellte, pompöse Opulenz nicht zu kurz, etwa in "Who Killed Tangerine?", das gleich noch einen ausladend-repetitiven "Hey Jude"-Abgang mitliefert.

In der Single "Closest Thing To Heaven", die teilweise auf die Akkorde von Lennons "Jealous Guy" zurück greift, gefällt vor allem Orzabals eindrücklicher Gesang, zu alter Form finden Tears For Fears aber lediglich in "Killing With Kindness" und "Ladybird" zurück. Als potenzielle Folgesingle dürfte der Akustik-Pop von "Call Me Mellow" das Rennen machen, der glatt von der Beatles-Coverband aus Tom Hanks' Liverpool-Filmhommage "That Thing You Do" stammen könnte. Die ultimative Fab Four-Verehrung lässt Orzabal im leisen "Pullin A Cloud" anklingen, wo erstmals deutlich wird, dass Tears For Fears auch ohne zehn Gitarren- und Chorspuren beeindrucken können.

Dennoch: Einen Song wie "Break It Down Again", der die Klasse der Band im zweiten Karrierejahr schnörkellos auf den Punkt brachte, sucht man im vorliegenden Happy End leider vergebens. Kein Wunder: Der Song erschien im Jahr 1993, als sich Orzabal im Alleingang um die Erfolgsgeschichte seiner Band kümmerte.

Trackliste

  1. 1. Everybody Loves A Happy Ending
  2. 2. Closest Thing To Heaven
  3. 3. Call Me Mellow
  4. 4. Size Of Sorrow
  5. 5. Who Killed Tangerine?
  6. 6. Quiet Ones
  7. 7. Who You Are
  8. 8. The Devil
  9. 9. Secret World
  10. 10. Killing With Kindness
  11. 11. Ladybird
  12. 12. Last Days On Earth
  13. 13. Pullin' A Cloud
  14. 14. Out Of Control

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3 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Ich bezeichne "Shout" von Tears For Fears gerne immer als das erste Lied das ich gehört habe, weils wirklich das erste ist wo ich mich dran erinnern kann. Immer von meinem Alten eine Kassette aus dem Auto genommen und zuhause auffem Kassettenrekorder abgespielt und immer dieses geile Lied ^^ Good old Days, leider zu schnell vorbeigegangen

  • Vor 13 Jahren

    Sicher, man kann bei einigen der Titel Ähnlichkeiten zu einzelnen Beatles-Songs konstruieren. Und zu Pink Floyd, den Hollies oder auch Coldplay. Wenn man will. Man muss aber nicht. Was sich akustisch aufdrängt, ist eine Präferenz für die erfolgreichste Band der Welt, die musikalisch offen bekannt und mit durchaus eigenen Ideen ausgelebt wird. Ich als eingefleischter Beatles-Fan empfinde Everybody Loves A Happy Ending jedenfalls nicht als Majestätsbeleidigung oder als billigen Abklatsch der Fab Four.

    Und ?Lustlosigkeit? vermag ich dabei schon gar nicht zu erkennen. Die Formulierung impliziert den Vorwurf, die beiden hätten sich lediglich zusammengefunden, um mal schnell ihre Kassen aufzufüllen. Das kann zwar ein Grund gewesen sein, aber sicher nicht der einzige, denn unter rein kommerziellen Aspekten wäre es sicher Erfolg versprechender gewesen, sich an den frühen Hits à la ?Shout? zu orientieren. Dieser nahe liegenden Versuchung sind sie aber nicht erlegen, sondern den mit Seeds For Love eingeschlagenen Weg weiter gegangen. Hut ab!

    Ich war und bin kein Tears-For-Fears-Fan, halte Everybody Loves A Happy Ending aber für ein herausragendes Album mit schönen, zum Teil komplexen, aber immer eingängigen Kompositionen und abwechslungsreichen Arrangements. Pop at it's best. Absolut zeitlos und wahrscheinlich gerade deshalb nicht in die Zeit passend.

    Kurzum: Ich mag den Sound. Ich mochte ihn bei den Beatles, bei Klaatu, bei 10cc und ich mag ihn auch bei Tears For Fears.

  • Vor 8 Jahren

    Ein Wunder, dass nach 2000 immer noch solche Alben gemacht werden. Alter, schöner, intelligenter Pop-Rock, keine Spur von der New Wave mehr geblieben. Aber wie immer alles perfekt produziert. Bei Tears for Fears geht es ja nie um schnell gebackene Pfannkuchen, nur um schnell Geld zu kriegen... Und die beiden Bonus - die sind ein richtiges Geschenk und gehören eigentlich ins Album!