laut.de-Kritik

"Teesy" reimt sich auf "cheesy": Das kann kein Zufall sein.

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Schlägt man das Wort "cheesy" im englischsprachigen Wörterbuch nach, spuckt es "kitschig, geschmacklos, billig [Machart] und minderwertig" aus. Überprüft man Teesys Debütalbum "Glücksrezepte" auf die eher unschmeichelhaften Adjektive, so lautet die gute Nachricht: Es klingt weder geschmacklos noch billig produziert oder gar minderwertig. Die schlechte: Es trieft nur so vor Kitsch.

Schubladendenken und Vergleiche sind im Bezug auf Künstler eigentlich Kacke. Angesichts von "Glücksrezepte" drängen sich Bezeichnungen wie "der deutsche Drake" und Vergleiche mit Justin Timberlake aber förmlich auf. Teesy singt mehr als dass er rappt und bedient sich dabei munter der mehrfachen Stimm-Überlagerung, ausgeprägter Phrasierung und Background-Chören: R'n'B auf Deutsch, quasi.

Dass er neben der Singerei das Zeug zum Animateur in einer Vier-Sterne-Anlage hätte, beweist das Chimperator-Signing in "FC Fernweh": "Wie geil is' es bitte, dass ihr hier grad' dabei seid?" "Komisch, dass ich hier keinen höre, sind die Leute da?" Ganz ruhig, Teesy. Wir sind ja da. Ob ich bleibe, weiß ich allerdings noch nicht.

Sobald es zusammen auf einen Abstecher nach "Rom & Paris" gehen soll, weigere ich mich standhaft. Nicht etwa, weil Teesy nicht singen könnte. Nein, der Wahl-Hamburger trifft sogar unnatürlich hohe Töne. Aber wenn er mit seiner leicht angeschmalzten Stimme Zeilen singt wie "Du bist grade richtig, dem Mädchen vor dir fehlte es an Rom und Paris", dann bekommen höchstens frisch Verliebte einen schmachtenden Ausdruck auf dem Gesicht. SEHR, sehr frisch. Alle anderen kriegen höchstens Bauchschmerzen.

Noch bevor ich wusste, dass Cro einen Part zu "SOS" beisteuert, hat mich das Lied schon an Teesys Labelkollegen mit der Pandamaske erinnert. Liegt wahrscheinlich am belanglosen Inhalt. Der dreht sich darum, wie man seine Traumfrau erobert. Teesy hat dafür ein ganz einfaches Rezept: "Schnapp' dir deine Chino, umarme die Welt und dann geh' mit ihr ins Kino!". Oder es liegt an den Cro-typischen Produktionen, die neben den eingängigen Refrains für Radiotauglichkeit sorgen. Cros Part geht zwar nicht als Meisterleistung durch, aber seine schnodderige Stimme lässt die süßlichen Texte irgendwie leichter ertragen.

Viel mehr als leicht zu ertragen ist "Generation Maybe": Hier zeichnet Teesy das anschauliche Porträt einer Generation, die sich "von Freitag zu Freitag" hangelt und nach "Australien dann irgendwas mit Medien" macht. Er kann texten, er kann rappen und das sogar über etwas anderes als Liebe. Na, endlich! Der Höhepunkt kommt ja bekanntlich vor dem Fall: "Küss' mich, Süße, ohne dich bleib' ich Frosch.": In "Märchen" gibt sich Teesy als der "letzte Prinz in diesem Land voller Heuchler" und reimt stilsicher "Dornröschen" auf ""Höschen".

Wider Erwarten gehts aber noch schlimmer: "Liebe ist Krieg und schöne Momente, also komm' und küss' mich, bis der Morgen unsere Lenden eint." Ernsthaft? Damit hätte er vielleicht vor hundert Jahren eine rumgekriegt. In Teesy steckt ein Romantiker der ganz alten Schule: Auch "Keine Rosen" eignet sich bestens dazu, es der Angebeteten auf dem Balkon vorzuschmachten.

Artig sagt er zum Schluss noch einmal "Danke": An die Familie, die Freunde, den Busfahrer. Teesy scheint ein sympathischer und höflicher Mensch zu sein. Um so mehr möchte man ihn einmal so richtig provozieren, ihn solange triezen, bis er das Gentleman-Getue bleiben lässt. Sein musikalisch zweifellos großes Talent beweist er in "Generation Maybe" und stellenweise auch in anderen Songs. Aber angesichts der Kitsch-Dichte auf "Glücksrezepte" muss man leider sagen: Sorry, Cheesy-Teesy, aber da fehlen Ecken und Kanten.

Trackliste

  1. 1. Der Anfang
  2. 2. FC Fernweh
  3. 3. Rom & Paris
  4. 4. SOS ft. Cro
  5. 5. Hochzeit
  6. 6. Generation Maybe ft. Megaloh
  7. 7. Märchen
  8. 8. Glücksrezepte
  9. 9. Balance
  10. 10. Keine Rosen
  11. 11. Unbetitelt
  12. 12. Danke
  13. 13. Unendlichkeit

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4 Kommentare mit 21 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Ich persönlich mag Teesy zwar auch nicht sonderlich, aber 2 für ihn und 4 für Olson passt nicht... Irgendwie gehören die beiden für mich in dieselbe Schublade und da ist auch keiner textlich besser oder schlechter als der andere (Ich rede nur von den Texten, musikalisch ist das zwar beides Pop, aber unterscheidet sich ein bisschen mehr).
    Mich würde da mal Ihre Meinung interessieren Frau Sprenger :D Weil anders ist es für mich zu erklären, als durch die verschiedenen Rezensenten.

  • Vor 9 Jahren

    Ist halt n Sommeralbum. Ich mag den Typen nicht besonders, aber das ganze klingt wenigstens nicht so ganz bemüht und verkopft wie ein Großteil der anderen aktuellen Deutsch"rapper". Muss mich da auch PHOSE anschließen, im Vergleich zu Olson passt die Wertung nicht.

  • Vor 9 Jahren

    Singt ganz gut, finde ich...okay, die Texte, naja. Andererseits singen die RnB-Amis übersetzt nix anderes...ich rieche weider eine Verschwörung gegen deutsche Künstler!!1

  • Vor 9 Jahren

    Ich höre Teesy jetzt seit etwas über einem Jahr und meine Erwartungen auf Glücksrezepte waren recht groß, da ich das MixTape Fernweh schon einfach hammer fande. Und ich wusste nicht ob Teesy Fernweh toppen kann, aber gestern wurde ich des besseren belehrt. Klar viele der neuen Songs sind recht kitschig, aber ganz ehrlich, meiner Meinung nach kann er sich das Erlauben, er kann singen, rappen und texten. Vielleicht ist das nicht für jeden was, aber für Leute die gerne mal in die Chimperator Sachen reinhören lohnt es sich auf jeden Fall. Mein favourite ist auf jedenfall Generation Maybe, in diesem Song geht es meiner Meinung nach um die pure Wahrheit und das auch noch gut verpackt.
    Teesy kann was und wer Fernweh noch nicht kennt muss es sich anhören, dann glauben das auch die letzten!