laut.de-Kritik
Fette Bassläufe und jede Menge Anglizismen.
Review von Philipp KauseFette Bassläufe durchziehen Teesys drittes Album "Tones". Es lohnt sich daher, die Songs auf Kopfhörern zu genießen. Sie beschäftigen sich mit innerer Leere, trendigen Oberflächenkriterien und der Gefangenschaft inmitten der Algorithmen von Social Media. Kritik an unserem Umgang mit Apps und Netzwerken entwickelt sich in "Likes" von der Aufzählung bis hin zum Wutausbruch.
In einer gerechten Welt gehörte solche Musik ins Radio. Sie lebt von der Würze der Kürze und von Teesys Musikwissen über den Soul und Pop der 70er und 80er Jahre. Wortreich, bildreich und mit einem Sinn für analoge Instrumentierungen gelingt ihm ein abwechslungsreiches Album, auch wenn man sprachlich doch einige hölzerne Passagen überstehen muss.
In "Girls" lernen wir Sophie kennen, die dem Erzähler wichtiger ist als tausende Fans bei einem Konzert, es geht um Mädchen, die sich für andere Jungs entscheiden, doch am Ende ist die Mutter die beste aller Girls. Musikalisch erinnert es an Prince oder alte Classics wie "Let's Do The Hustle" (Van McKoy & The Soul City Symphony). Andere Tunes nutzen die lockere Formulierung, vom "Hunni in der Hand", über "den Typen, den du datest" bis zum gebrochenen Herz in der Hand.
Glaubwürdiger geraten Teesy die Songs mit vielen Anglizismen: "Wesley", der "so happy, happy, happy", "viel zu lit und viel zu smooth", "so nasty" und dessen "Game (...) amtlich" ist. Mithilfe von Denglisch-Bröckchen ("boom bang", "Peanuts", "Leader deiner Gang", "Bartender") kommt dann wirklich (Funk-) Flow auf. Zwar lispelt er beim "St" und "Sp" am Wortanfang öfter, andererseits suchen wir ja anno 2018 das Echte und Authentische. Auf Hilfe seitens der Technik wurde hier bewusst verzichtet, und wann hat man das im Zeitalter des Auto-Tunings schon in der Offbeat-Musik? Teesys unbereinigte Stimme hebt sich deutlich von anderen Stimmen ab.
Im Interview auf dem Summerjam 2017 erläuterte mir der Berliner seine Einstellung: "Ich bin sehr darauf bedacht, dass live gespielt wird aufm Album, dass man's eben nicht konservenmäßig klingen lässt, dass menschlich gespielte Fehler drin bleiben. Das nehm ich mit aus dieser alten Zeit." Gemeint sind die späten 70er und frühen 80er Jahre, als sich Acts wie Sting oder Phil Collins trotz Experimenten im Radio durchgesetzt hätten.
Deshalb hätte Teesy aber nicht gleich in die Kerbe von Aloe Blacc und Sam Smith hauen müssen ("Stranger"). Im seltsamen "Tones (Outro)" verwendet er dann Hipster-Sprache. Dabei karikierte er jene vor vier Jahren im Song "Generation Maybe" auf "Glücksrezepte" noch.
Doch mit seiner Kritik an aussterbender Nächstenliebe, mit seinen Anklängen an Lionel Richie und die Commodores in "Ich Lebe Für Dich", mit seiner Abrechnung mit einem von Instagram dominierten Lebensstil in "Likes" und mit der Mundharmonika am Ende von "Story" beweist Teesy, was er künstlerisch alles beherrscht.
1 Kommentar
Ich bin kein Experte, was dieses Genre angeht, aber ich finde das Album nur schwer zu ertragen. Das Hören machte mich teilweise aggressiv.