laut.de-Biographie
Ten Walls
Only bad news is good news. So lautet eine vielgebrauchte Phrase in der Aufmerksamkeitspsychologie. Der litauische Künstler Ten Walls ist möglicherweise im Frühsommer 2015 der lebende Gegenbeweis: Beileibe nicht jede negative Schlagzeile ist eben auch eine nützliche Schlagzeile. Denn mit homophoben Äußerungen in den sozialen Medien katapultiert sich der Deep- und Tech House-DJ aus Vilnius in Rekordzeit selbst ins Abseits.
In einem Facebook-Post setzt er, der bürgerlich auf den Namen Marijus Adomaitis hört, Homosexualität mit Pädophilie gleich. Ten Walls bezeichnet darin Homosexuelle als "Menschen anderer Sorte", die in den Neunzigerjahren noch "repariert" worden wären. Ein Shitstorm sondergleichen folgt.
Zwar rudert der Jahrgang 1983 in zwei weiteren Facebook-Posts zurück und entschuldigt sich bei all jenen, die sein Beitrag verletzt haben könnte. Doch zu spät: Große deutsche Festivals wie das Dockville in Hamburg und das Melt! Festival und auch international ausgerichtete Events wie das Sonár in Barcelona distanzieren sich umgehend von Adomaitis. Seine Auftritte werden abgesagt, die Bookingagentur kündigt den Vertrag auf.
Ten Walls steht im Abseits. Das dürfte abseits der weltanschaulichen Totalentgleisung durchaus manchen House-Anhänger schmerzen. Denn der Litauer war mit einem höchst respektablen Chartseinstieg im Vereinigten Königreich mit "Walking With Elephants" im Herbst 2014 zuvor noch auf einem vielversprechenden Weg gewesen. Anfang 2015 erhielt Ten Walls bei den litauischen M.A.M.A. Awards zudem den Preis für den besten elektronischen Act und das beste Musikvideo ("Walking With Elephants").
Der gelernte Fagottist und Sohn eines professionellen Violinisten hatte nach einem Studium der audiovisuellen Kunst im Frühjahr 2013 auf dem renommierten Berliner Minimaltechnolabel Innervisions seine Debüt-EP "Gotham" hingelegt. Der Track entwickelt sich seinerzeit sukzessive zu einem weltweiten Clubhit. Schon in den ausgehenden Neunzigern tritt Adomaitis er unter dem Pseudonym Mario Basanov auf.
Ten Walls' wenigstens musikalische Aufgeschlossenheit öffnet ihm in den Nullerjahren manche Tür. Als leidenschaftlicher Musikkonsument probiert er sich in so unterschiedlichen Genres wie Soul, R&B, New Jazz und Elektrohouse aus. Als DJ rekombiniert er einige Jahre später die Stilrichtungen nach Belieben. "Meine frühen Produktionen würde ich als experimentell bezeichnen. Ende der Neunziger habe ich z.B. an Drum'n'Bass gearbeitet. Eigentlich habe ich alles Mögliche mindestens einmal ausprobiert."
Schlussendlich lässt die Dummheit von Ten Walls die Fans völlig sprachlos zurück. Alle Meinungsfreiheit unbenommen bleibt angesichts solcher Ignoranz nicht bloß der eigenen Hörerschaft gegenüber lediglich das Kopfschütteln. Jede Menge Aufmerksamkeit mag er so zwar generiert haben. Adomaitis' Karriere findet damit jedoch ein vorzeitiges Ende.
Noch keine Kommentare