laut.de-Kritik

Zwischen Tom Petty und Nirvana: Rick Rubins neueste Entdeckung.

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Schaut man sich 2010 die Liste der Künstler an, die bei Rick Rubins hauseigenem Label American Recordings unter Vertrag stehen, stößt man auf die eine oder andere Überraschung. Erstens: Es sind nur noch wenige Namen übrig geblieben. Nämlich genau zehn, der verstorbene Johnny Cash nicht mitgezählt.

Zweitens: Die Auswahl bleibt umso eklektischer. Zu Slayer gesellen sich unter anderen The (International) Noise Conspiracy, ZZ Top und Neil Diamond.

Unter den restlichen Acts dürften die Avett Brothers die in Europa am wenigsten bekannten sein. Dabei stand der letzte große Name auf der American-Liste, Tom Petty, indirekt Pate. Der hatte 1993 Rubin um Rat gebeten, weil ihm nach dem großen Erfolg der 80er Jahre nicht mehr viel einfiel und er Inspiration suchte. Rubin empfahl ihm, sich mit seiner Plattensammlung im Keller einzuschließen. Das Ergebnis war mit "Wildflowers" ein Jahr später Pettys bestes Album.

So ähnlich erging es den Avett Brothers: Seit 2000 tätig und fast jedes Jahr mit einer neuen Platte am Start, aber den Durchbruch immer noch nicht geschafft, unterschrieben sie 2008 beim Altmeister. In seiner "Akademie Mathematique of Philosophical Sound Research" in Los Angeles arbeitete der bärtige Produzent wie gewohnt daran, die Essenz seiner Betreuten einzufangen. In diesem Fall Country, Folk, Punk, Grunge und vokale Harmonien, weitgehend mit akustischen Instrumenten vorgetragen.

Die Schwere, die Album-Titel und CD-Gestaltung ausstrahlen– mit Gemälden, die von Scott Avett stammen – prägt auch den Opener. Zum Klavier gesellen sich nach und nach Orgel und Cello. "Die Begriffe 'Ich' und 'Liebe' und 'Warheit' sind die Wasserzeichen der Menschheit. Gemeinsam drücken sie unser innerstes Gefühl für Bescheidenheit, Macht und Wahrheit aus", erklärt Bruder und Co-Frontmann Seth kryptisch im Begleittext zur Platte.

Doch schon das fröhliche zweite Stück "January Wedding" zeigt, dass es sich hier weniger um ein monothematisches Album handelt als um die Gebrüder in ihrer ganzen Bandbreite. Mal wie hier banjolastig, mal schon fast grungig wie in "And It Spread", wandeln sie zwischen Tom Petty und Nirvana unplugged mit einer Prise Johnny Cash. Zu dessen posthumem Album "Ain't No Grave" auch sie einen Beitrag leisteten.

Doch damit ist das Repertoire nicht ausgeschöpft. "Kick Drum Heart" klingt wie eine Mischung aus Billy Joel und Emiliana Torrinis Ohrwurm "Jungle Drum", wobei die Ähnlichkeit in Refrain und Titel rein zufällig sein dürfte. Joel hat auch Spuren in "The Perfect Space" und "It Goes On And On" hinterlassen, während "Ill With Want" wie eine Ballade von Oasis klingt. Nur besser gesungen.

"I And Love And I" ist ein exzellent aufgenommenes Album, das viele gute Stücke bietet, insgesamt aber uneinheitlich wirkt. Die schönsten Momente gelingen den Brothers mit den langsameren, nachdenklichen Stücken wie dem Titeltrack, "Laundry Room", dem wunderbaren "Ten Thousand Words", "Ill With Want" und dem abschließenden "Incomplete And Insecure", auf denen die gesanglichen Harmonien am besten zu Geltung kommen.

Trackliste

  1. 1. I And Love And You
  2. 2. January Wedding
  3. 3. Head Full Of Doubt/Road Full Of Promise
  4. 4. And It Spread
  5. 5. The Perfect Space
  6. 6. Ten Thousand Words
  7. 7. Kick Drum Heart
  8. 8. Laundry Room
  9. 9. Ill With Want
  10. 10. Tin Man
  11. 11. Slight Figure Of Speech
  12. 12. It Goes On And On
  13. 13. Incomplete And Insecure

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