laut.de-Kritik

Begleitmusik zum Sangria-Kotzen.

Review von

"She wants to break up every night", singen die kettenrauchenden EDM-Pop-Tanzbären, und die besungene Sie möchte völlig zurecht Schluss machen. Was The Chainsmokers da vom Stapel lassen, ist zwar höchst erfolgreich auf internationaler Basis, aber eben auch zum Flüchten und zum Fürchten.

Der beigefügte Imperativ des Titels "Do Not Open" warnt nicht ohne Grund: Wir hätten sie nicht aufmachen sollen, diese Erinnerungskiste. Jetzt riecht alles nach Jägermeister mit Red Bull, nach tiefen Gefühlen und großen Dramen in schlechten Clubs und nach unendlicher Beliebigkeit.

Zugegeben, es ist höchst unoriginell, schlecht über The Chainsmokers zu schreiben. Das machen nämlich eh fast alle. Das Ding ist nur: "Memories... Do Not Open" repräsentiert alles, das in der derzeitigen Charts-Popmusik schief läuft. Dieser generische Hochglanz-EDM, der längst Einzug in die kontemporäre Top-20-Ästhetik eingehalten hat.

Dance verkauft halt noch ein bisschen – das wussten schon Coldplay, als sie 2014 "Ghost Stories" mit Ballermann-Beats von Avicii zugeschissen haben. Chris Martin und seine Bandkollegen ließen sich auch diese Gelegenheit nicht entgehen und sind bei den Chainsmokers zu Gast. Der gemeinsame Track "Something Just Like This" lässt dann auch die letzten Sympathien für die Briten schwinden.

Die weiteren Gäste auf dieser Platte wirken genau so uninteressant wie die Songs und die Lyrics und die Produktion und alles andere an dieser Pop-EDM-Sause. Rummelplatz-Synths, Uz-Uz-Beats, muskulöse Refrains und bisschen Klavier. Nullsummen-Popsongs gepackt in Nullsummen-Sounds mit Nullsummen-Texten über persönliche Befindlichkeiten und Partymachen. Musik, die dir beim Sangria-Kotzen über den Kopf streichelt. Herr Ober, einen Sex On The Beach, bitte, und für die Blonde gegenüber am Tresen einen Strawberry Daiquiri.

"Memories... Do Not Open" will einfach möglichst viele Leute erreichen, was per se nichts Schlechtes ist. Die Leute wollen so etwas auch hören, was sehr wohl etwas Schlechtes ist. Deswegen ist auch davon auszugehen, dass sich diese Erinnerungskiste verkauft wie die warmen Semmeln und der Teufelskreis dieser Soundästhetik auch weiterhin die Charts durchziehen wird. Ein durch und durch beliebiges, vernachlässigenswertes Album.

"Will you still care in the morning when the magic's gone", heißt es "Wake Up Alone". Magie war hier wirklich nie im Spiel, keine Sekunde. "We just gotta own that shit", so lautet es später irgendwann einmal. Die Chainsmokers ownen das Business bestimmt mit dieser Platte, aber das heißt noch lange nicht umgekehrt, dass man diese Platte ownen sollte. Wirklich nicht!

Trackliste

  1. 1. The One
  2. 2. Break Up Every Night
  3. 3. Bloodstream
  4. 4. Don't Say
  5. 5. Something Just Like This
  6. 6. My Type
  7. 7. It Won't Kill Ya
  8. 8. Paris
  9. 9. Honest
  10. 10. Wake Up Alone
  11. 11. Young
  12. 12. Last Day Alive

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