laut.de-Kritik

Gypsy, Blues und Straßenmusiker ...

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Ich laufe einen einsamen Feldweg entlang. Plötzlich bemerke ich den Drehorgelspieler am Wegrand. Ein Äffchen auf seinem Arm krächzt ein wenig. Dann beginnt er, mit einer vollen, kräftigen Stimme zu singen. Ich schunkle im Takt seiner Orgel. Der Himmel ist blau, weiße Schleierwölkchen ziehen vorbei, und ich muss an dich denken, wie sehr ich dich ...

Naja, in echt höre ich nur "Magic And Medicine" von The Coral. Was einem beim Hören dieser Platte alles so durch den Kopf spukt, ist erstaunlich: Schwere Regentropfen, folkloristische Polkagruppen, tränenreiche Liebesgeschichten. Gypsy, Blues und Straßenmusiker. Die Doors, allein sein wollen in einem vollen Raum und noch viel mehr.

Es ist, als würde jeder Song eine kleine Geschichte erzählen. Und obwohl diese auf den ersten Blick völlig unzusammenhängend erscheinen, fügen sie sich schlussendlich zu einem homogenen Ganzen zusammen.

Zu Beginn geht einem die Platte auf die Nerven. Sie ist sperrig, schwer zu greifen und scheinbar unmöglich am Stück zu hören. Gypsy-Folk ist halt nicht jedermanns Sache, und nicht wenige Songs auf "Magic And Medicine" gehen in diese Richtung. Um so komischer, dass man die Melodien noch Stunden nach dem Hören im Ohr hat. Ob da doch was Größeres heran wächst?

"Talkin' Gypsy Market Blues", das erst noch so nervig hopste und schunkelte, bekommt plötzlich ganz andere Qualitäten. Hochdynamisch beschwingt erscheint es nach mehrmaligem Konsum. Auch "Liezah" geht nicht mehr aus dem Kopf. Die zurückhaltende Folkballade verursacht ein mulmiges Gefühl von wunderschöner Traurigkeit im Bauch. Immer mehr Perlen blitzen auf, zum Beispiel "Don't Think You're The First", in dem The Coral merkwürdige Soundeffekte benutzen und ihre Instrumente schwer nach Cowboy klingen lassen. Lonely but still happy. Wie eine alternative Marlboro-Werbung.

Kein Album, das sich beim ersten Hören erschließt - und auch später nicht in jeder Situation einfach zu konsumieren ist. Doch die Popperlen, die sich im Ohr festbeißen, kann man nicht ignorieren.

Trackliste

  1. 1. In The Forest
  2. 2. Don't Think You're The First
  3. 3. Liezah
  4. 4. Talkin' Gypsy Market Blues
  5. 5. Secret Kiss
  6. 6. Milkwood Blues
  7. 7. Bill McCai
  8. 8. Eskimo Lament
  9. 9. Careless Hands
  10. 10. Pass It On
  11. 11. Confessions Of A DDD

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