laut.de-Kritik
Zehnmal kluger Gitarrenpop.
Review von Rainer Henze"Bitte Platte umdrehen" lautet der freundliche Hinweis im Presseinfo zum neuen Go-Betweens-Album. Üblicherweise enthalten diese Blättchen furchtbar viel Unfug. Sie wollen einem erklären, wie gut man diesen oder jenen Song zu finden hat. Doch die augenzwinkernde Anweisung zwischen den Erläuterungen zu den Stücken 5 und 6 ist ausnahmsweise nützlich. Sie definiert in drei kurzen Worten prägnant die Hauptzielgruppe von "Bright Yellow Bright Orange".
Und alle, denen "Platte umdrehen" irgendwie gar nichts sagt, müssen hier nicht weiter lesen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Denn seien wir ehrlich: "Bright Yellow Bright Orange" ist Musik für alte Säcke, von alten Säcken. Wir nennen das natürlich: zeitlos. Robert Forster (45) und Grant McLennan (44) liefern gut zwei Jahre nach ihrem gemeinsamen Comeback-Album "The Friends of Rachel Worth" erneut eine Platte mit zehn klassischen, wundervollen Popsongs.
Unter dem Schlagwort "Singer/Songwriter" werden oft Künstler subsummiert, deren Kernkompetenz nicht primär auf ersterem beruht. Auch die Go-Betweens bestechen vor allem durch perfekte Melodien, bedachte Texte und sparsame, stets rundum richtige Instrumentierung. Niemand würde bei einer Aufzählung der zahlreichen hervorragenden Qualitäten der beiden Australier zuerst ihren, nunja, hypnotischen Gesang nennen. So verwundert es nicht, dass ihr einziger Beinahe-Hit, das über alles erhabene 88er "Streets Of Your Town" vom Background-Gesang Amanda Browns beflügelt war.
Nein, ein echtes Chartsthema waren die Go-Betweens nie. Statt dessen erspielten sie sich mit der Zeit ein erlesenes, umso treueres Stammpublikum. Diesem bietet "Too Much Of One Thing", das zentrale Stück des Albums, eine Sensation: Forster und McLennan, sonst stets abwechselnd mit ihren Werken vertreten, singen Strophen im selben Song! Die Fassungslosigkeit hierüber wird Außenstehenden kaum begreiflich sein, es ist ein Fantum-Ding. Obwohl: Fans in fortgeschrittenem Alter heißen natürlich "Kenner".
Draußen hinterm Fenster geht allmählich die Sonne unter. Am schneebedeckten Horizont. Drinnen erklingt "Caroline & I" zum wiederholten Male an diesem Sonntag. Die Zeitung liegt ausgebreitet auf dem Tisch, ein Kaminfeuer fehlt leider. "Bright Yellow Bright Orange" ist Musik zum wohl und klug fühlen, zum Platte wieder und wieder umdrehen.
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