laut.de-Kritik
Auf den mit Funk geteerten Straßen der Blaxploitation.
Review von Sven KabelitzKokolores. "The Lost Album" war weder verloren, noch sind es The J.B.'s, die wir die meiste Zeit an der Seite von Fred Wesley hören. Wie sollte man auch so etwas verlieren? Kennst Du den? Kommt James Brown zu Fred Wesley und sagt: "Hey, Dein Album ist mir gestern aus der Hosentasche gefallen."
Ne, schlichtweg gestrichen hatte der 'Godfather of Soul' den bereits fertig aufgenommenen Longplayer, den er seinem Posaunisten vorher noch geschenkt hatte. Geschenkt ist geschenkt, wieder holen ist gestohlen. Was den 'Soul Brother Number One' zu dieser Entscheidung getrieben hat, bleibt schleierhaft.
Nun verbrachte "The Lost Album" seine Zeit auf verstaubten Regalen, bis sich Hip-O-Select Jahrzehnte später doch noch gnädig erweist und es an das Sonnenlicht und den gewillten Hörer weiterreicht. Da bist du nun, kleiner Phoenix.
Einige Aufnahmen kamen mit der Zeit an verschiedenen Orten unter, die bekannteste dürfte wohl "Watermelon Man" sein. Die Coverversion des Herbie Hancock-Klassikers war vorab bereits als Single erschienen. Nur hier kann wirklich von The J.B.'s die Rede sein, bekommt man ihre raue Funkyness zu spüren. James Brown lässt es sich nicht nehmen, höchstselbst hinter das Schlagzeug zu steigen.
Was danach kommt, gehört nicht mehr ihm, sondern Fred Wesley und Dave Matthews. Die besten Studiomusiker ihrer Zeit geben sich die Klinke in die Hand, der Bruch wird schon zum zweiten Stück "Sweet Loneliness" überdeutlich. Vom Funk geht es in die verrauchten Jazzkeller jener Zeit. Wesley ist jetzt nicht mehr Teil einer Gemeinschaft, er ist er selbst, Jazzer, Bandleader. Dabei drängelt er sich nicht mit Ellbogen in den Vordergrund, sondern lässt die einzelnen Stücke zusammen mit seinen Mitmusikern leben und erwachsen werden.
"Seulb" erinnert an Count Basie, "Secret Love" ist mehr Big-Band mit James Last-Schnipsen. Wehe, jemand sagt hier jetzt etwas gegen James Last. Der alte Carole King-Gassenhauer "You've Got A Friend" wird angenehm unkenntlich gejazzt. Mit "Transmograpification" geht es zurück auf die mit Funk geteerten Straßen der Blaxploitation.
Bis zu dem prachtvollen Soul-Jazz "Everybody Plays The Fool" bleibt "The Lost Album" nachvollziehbar. Danach meinte das Plattenlabel noch, vier Bonustracks an die Platte zu klatschen, die das Gesamtbild eher verwässern. Es geht ja heute nicht mehr, einfach nur neun Tracks auf einem Release zu haben, da muss mehr ran.
So müssen wir uns durch ein unsägliches Cover der Gilbert O'Sullivan-Schmonzette "Alone Again (Naturally)" kämpfen, die dem Begriff Fahrstuhlmusik ein neues grauenerregendes Gesicht gibt. Über die Qualität der drei folgenden Singles "Back Stabbers", "J.B. Shout" und "Funky & Some" braucht man nicht zu streiten, als Anhängsel zu "The Lost Album" wirken sie aber seltsam fehlplatziert.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass sich die Welt auch ohne "The Lost Album" weitergedreht hat und heute selbst mit dessen Release 1972 keine andere wäre. Spektakuläres gibt es nicht zu finden, aber gut gemachten Jazz und Funk der alten Schule. Das allein rechtfertigt das Ausgraben zu Genüge.
1 Kommentar
Klingt eigtl ziemlich geil