laut.de-Kritik
Traumwandeln - auf doppeltem Boden.
Review von Martin LeuteDas Warten auf den zweiten Longplayer versüßte das Chamber-Folk-Ensembles aus Brighton mit der "Covers-EP", die mit wunderbaren Versionen von den Stranglers, Eurythmics, Iggy Pop und den Pixies aufwartete. Zusammen genommen mit dem famos unbekümmerten Debüt "12 Ways To Count" (2008) durfte man als Freund des kammermusikalisch inszenierten Singer/Songwritertums da gespannt sein, wohin die Reise der Band um Mastermind James de Malplaquet geht.
Und wieder wartet die Band mit Arrangements aus Akustikgitarre, Cello, Violine und Kontrabass auf, garniert sie mit Percussion, Pianolinien oder Glockenspiel und krönt sie mit markant nasalem Gesang. Die Songs kommen flüssiger, reifer und epischer daher. Der Leidenschaft für klassische Einlagen wird vor allem mit den Instrumentals "Flight#1-4" und dem Hidden Track mehr Raum gegeben.
The Miserable Rich haben die Zusammenführung von Kammerpop und Folk vorangetrieben, sich aber mit subtilen instrumentalen Borstigkeiten und der lyrischen Doppelbödigkeit zum Glück einen kauzigen Indie-Appeal bewahrt.
Mal steht der von den Streichern suggerierten sonnigen Geborgenheit die Auseinandersetzung mit dem eigenen Drogenkonsum gegenüber ("Chesnut Sunday"), ehe Ravels "Bolero" angedeutet wird, um sich schließlich in ungestümer Abneignung zu verlieren. Mal erstrahlt die besungene belastende kleinstädtische Enge in berauschender Melodieseligkeit ("Sommerhill"), dann wendet sich das perlende Fingerpicking entsprechend der beklagten sozialen Anpassung und Ängste in bedrohlich stampfende Rhythmen ("Oliver").
Da kann sich dann auch das bedauernswerte Ende einer Beziehung mit dem Einsatz eines Gospel-Chors als heiterer Neuanfang erweisen ("Let Me Fade").
Der Albumtitel "Of Flight & Fury" bringt es auf den Punkt: die Wut über die Widrigkeiten der Welt artikulieren sich weder aggressiv noch trübsinnig, beflügelt vielmehr zu behaglicher Imagination. Dennoch droht die Gefahr des Absturzes bzw. bei allem Optimismus doch vom Wolf gefressen zu werden ("The Mouth Of The Wolf"). Denn der harmonische Wohlklang dominiert zwar, erweist sich aber durch sanfte ironische Brüche als ziemlich trügerisch.
Wem Patrick Watson an mancher Stelle zu opulent, Scott Matthew zu pathetisch und The Mountain Goats zu traurig tönen, der findet mit The Miserable Rich sein Glück.
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