laut.de-Kritik

So-tun-als-ob-wieder-2007-wäre.

Review von

Jetzt haben also auch The National ein Live-Album. Und nicht nur irgendeines: Zum zehnjährigen Jubiläum des Band-Meilensteins "Boxer" boten die Amerikaner alle zwölf Songs in originaler Reihenfolge vor Publikum dar. In einer Mehrzweckhalle am Rande von Brüssel - ein paar Tage vorher spielte dort James Blunt, ein paar später The Kooks. Dies hört man den Aufnahmen natürlich nicht an.

Denn "Boxer", auf dessen Cover diese kleine, triste Hochzeitsszenerie zu sehen ist, vor der die Band auftritt, stellt natürlich das längst Vergangene in den Vordergrund: intime, emotional ergreifende Momente, für die The National damals standen. Vor einigen Jahren tauschte die Band sukzessive kleine Clubs gegen große Arenen ein (paradoxerweise begünstigt durch den Erfolg von "Boxer") - und damit ihr Intimitätsversprechen gegen die exorbitante Rockshow.

Man wird also zumindest mal darauf hoffen dürfen, dass einen die Platte zurückversetzt, in Shows in irgendwelchen kleinen Läden oder auf Festivals im Hinterland, 2005 oder 2008, als es keinen juckte, wer The National überhaupt waren. Für einen selbst waren solche Konzerte, war man einer von fünf zahlenden Gästen, natürlich immer die besten - emotionale Selbstmanipulation für ein paar Euro. Das wäre ja okay.

Sobald die ersten Töne von "Fake Empire" erklingen, stellt sich Jubel ein, der fix abebbt, damit Matt Berninger sein dunkles Timbre über die Klaviermelodie legen kann. Dabei fällt sofort auf: Die Platte klingt sehr gut, die Aufnahme ist von hoher Qualität und äußerst ausbalanciert gemischt.

Das hört sich dann stellenweise fast schon zu perfekt an. Zum Beispiel im Instrumentalteil des angesprochenen Openers, wenn sich die einzelnen Instrumente unheimlich dicht aneinander winden und man nur durch die schließlich eingemischten Publikumsgeräusche daran erinnert wird, dass es sich hier um eine Live-Aufnahme handelt.

The National machen ihrem Ruf als Perfektionisten alle Ehre. Besonders die Zwillingsbrüder Aaron und Bryce Dessner gelten als solche. Das stellen sie auch unter Beweis, wenn ihre Gitarren bei "Brainy" duettartig - und nur um kleinste Notenwerte versetzt - interagieren.

Der eigentliche Genius sitzt bei The National allerdings hinter den Drums. Bryan Devendorf hält sich gern im Hintergrund und spielt entsprechend: minimalistisch, präzise. Die Drumparts von "Boxer" hat er in den vergangenen elf Jahren dennoch weiterentwickelt. Sie klingen inzwischen noch verschachtelter und verschnörkelter als auf den Studioaufnahmen, ohne sich aber je in den Vordergrund zu drängen.

Wenn man also einiges ausblendet – der überschnelle Mitklatsch-Reflex des Publikums, wenn mehr als zwei Viertelnoten Bassdrum aufeinander folgen oder die Tatsache, dass der Mitschnitt einem Mehrzweckhallen-Konzert vor mehreren tausend Leuten entspringt – dann kann man hier tatsächlich schnell ins Schwelgen verfallen.

Dennoch kann "Boxer (Live In Brussels)" die Frage nach dem eigenen musikalischen Wert nicht aus sich selbst heraus beantworten. Denn dem ursprünglichen Werk wird hier im Wesentlichen nichts hinzugefügt: Keine befreundeten MusikerInnen, die auf die Bühne geholt werden, und ins furiose Ende von "Ada" mischt sich auch nicht die Melodie von Sufjan Stevens' "Chicago", wie das in der Vergangenheit teilweise der Fall war. Es bleibt eben eine Rückschau, ein So-tun-als-ob-wieder-2007-wäre auf musikalisch sehr hohem Niveau.

Trackliste

  1. 1. Fake Empire
  2. 2. Mistaken For Strangers
  3. 3. Brainy
  4. 4. Squalor Victoria
  5. 5. Green Gloves
  6. 6. Slow Show
  7. 7. Apartment Story
  8. 8. Start A War
  9. 9. Guest Room
  10. 10. Racing Like A Pro
  11. 11. Ada
  12. 12. Gospel

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3 Kommentare mit 35 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Verstehe ich nicht? Da bringt eine durch und durch sympatische Truppe ihr erstes Livealbum raus. Der Kritiker schreibt das sie sogar alle auf den Punkt spielen und eine hohe Produktionsqualität ebenfalls anliegt. Kann ich auch so bestätigen. Das Album ist mitreissend, würde ich noch beifügen.

    Trotzdem bekommt es dürftige 3/5 und wird schon am Anfang gedisst, das The Kooks und vor allem James Blunt die nicht besonders große Halle, bespielt haben. Als wenn die Qualität anderer Künstler sich einbrennen in eine Bühne und übertragen würden, auf andere Künster.

    Dem nächsten Argument kann ich auch nichts abgewinnen. Nur weil eine Band größere Bühnen bespielt in der Zwischenzeit und nun ein oder zwei Schritte zurück macht, dabei keinen Qualitätsverlust erleidet, ist sie nicht mehr so gut, weil sie sich auf die 12 Stücke von Boxer beschränken?
    Aha logisch...macht richtig Sinn!

    Frage an David Hutzel, kann es sein das du Stadionrock als eher unangehnem empfindest? Dem mit einer gewissen Abneigung entgegen tritts, dich eventuell durch die Wucht erschlagen fühlst? So lange es deine Wertung nicht runter zieht, das wäre nämlich kontraproduktiv.

    Gruß Speedi

  • Vor 6 Jahren

    the national sind so ne band, die ich nicht live sehen möchte, weil ich sehr eigenwillige eigeninterpretationen ihrer songs in meinem kopf habe und ich die musik stark assoziiere mit melancholischen bildern aus ner bestimmten situation, wie eine verrauchte kneipe oder eine heimelige ecke mit knisterndem kaminfeuer, ein nächtlicher spaziergang durch spärlich illuminierte straßen in der stadt oder eine einsame autofahrt durch eine karge landschaft etc., bestenfalls noch so im 20er-jahre-look (wie man sich’s so vorstellt aus film und serie.. ) – alles ziemlich melancholisch und null geeignet für nen energetischen auftritt auf der bühne. The national scheinen sich eines solchen effekts ihrer musik ja bewusst zu sein und brennen deswegen auf der bühne kein feuerwerk ab und bleiben immer recht nah an den studio-aufnahmen, sodass die imagination des konzertgängers nur minimal irritiert wird. nur.. warum sollte ich mir einen auftritt einer band live anschauen, deren songs für mich in erster linie eine bestimmte atmosphäre und imaginationsfähigkeit voraussetzen für ihren vollwertigen genuss, die bei einem live-auftritt dieser band einfach nicht gegeben sind??? „Boxer“ mag noch so ein tolles album sein, es bedarf zur entfaltung seines potentials eines raums für atmosphäre und imagination, und für mich persönlich schließt sich da ein live-auftritt von the national von vornherein aus.

    • Vor 6 Jahren

      "the national sind so ne band, die ich nicht live sehen möchte..."

      Fehler.

      "alles ziemlich melancholisch und null geeignet für nen energetischen auftritt auf der bühne. The national scheinen sich eines solchen effekts ihrer musik ja bewusst zu sein und brennen deswegen auf der bühne kein feuerwerk ab und bleiben immer recht nah an den studio-aufnahmen, sodass die imagination des konzertgängers nur minimal irritiert wird."

      Meh, ich hab jetzt schon länger in keine Live-Videos mehr reingeschaut oder ein Konzert besucht und weiß auch nicht, wie sie das auf der vorliegenden Platte geregelt haben, aber das geht jetzt so überhaupt nicht mit meiner und was ich jetzt mal als die typische "The National"-Liveerfahrung bezeichnen würde. Auf instrumentaler Ebene magst du ja noch halbwegs recht haben, aber was Matt Berninger da zumeist auf der Bühne veranstaltet hat dann halt oft nur noch herzlich wenig mit dem eher gesetzten Ton der Alben zu tun und ist dann halt tatsächlich sehr emotional und energetisch und wenn du's so haben willst Feuerwerk-esque. Und ja, meint man im ersten Moment, dass das ja irgendwie zusammenpasst, tut es live aber dann doch und färbt zumindest für mich persönlich auch nicht so auf die von den Studioalben evozierten Emotionen ab, eben weil live und Studiounsetzung so emotional verschieden sind.
      Ich glaube das wurde in der letzten Albunrezi sogar explizit so gemutmaßt, dass die paar Stadionrockigeren Elemente auf der neuen Platte den Versuch darstellen sollten, die Live-Atmosphäre von The National besser einzufangen. Wäre damit also auch nicht alleine in meiner Wahrnehmung. Kann aber auch sein, dass meine Erinnerung mir da gerade einen Streich spielt.

    • Vor 6 Jahren

      hm, a) hab aus ner, hoffentlich deutlich gewordenen, sehr subjektiven perspektive geschrieben, siehe die ganzen bildlichen metaphern zu beginn. hab meine eigene interpretation der musik beschrieben als "alles ziemlich melacholisch" und "FÜR MICH null geeignet für nen energetischen auftritt auf der bühne." (für andere, wie dich, anscheinend gut), b) geb dabei zu, dass ich nur mir bekannte live-videos aus dem internet bemüht habe (habe sie live nie gesehen, weil ich eben auch einfach nicht möchte) + mich bezogen habe auf die beschreibung in der review, wo the national live eben als sehr studiokonform, was mir bestätigt wird durch die live-clips, beschrieben wird. wenn es live anders ist und berninger ne eigene show draus macht, also ne energetische und improvisierte, seh ich mich ja nur darin bestätigt, ne band wie the national (oder interpol) besser nicht live zu sehen - aber jeder andere soll es, der es mag, alles easy.

    • Vor 6 Jahren

      Ja, du bist aber auch so ein voreingenommener Lump, ey. Erst sagst du, dass wenn sie live eh das Gleiche spielen, du nicht hinzugehen brauchst und jetzt wo ich dir sage, die machen das nicht, passt dir das auch nicht.

      Aber ja klar, natürlich darfst du die Sichtweise haben, die du möchtest. Ich teile deine generelle Einschätzung zum Sound-/Stimmungsbild von The National Alben ja auch, das tun denke ich mal die meisten. Wollte dir darüber hinaus nur freudig mitteilen, dass der Besuch eines Livekonzertes für mich die Wahrnehmung der Albumsongs nicht kaputt gemacht hat und dass der National-Sound live seitens Berninger mitunter noch um eine emotional kathartische Komponente bereichert wird. Was du jetzt aus dieser Infornation machst, bleibt natürlich dir überlassen. ;-)

    • Vor 6 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 6 Jahren

      Nachdem ich Gleep gelesen habe, The Nationel live schauen, bei nächster Gelegenheit. Selbstgeiselung in emotionaler Vollendung, find ich gut!

    • Vor 6 Jahren

      bor ist das anstrengend, du hast mich anscheinend komplett missverstanden. ok, meine quintessenz ist:
      the national = emotional berührend auf indivdiduelle weise, alles "live" zerstört die eigene (meine) illusion
      the national live = ok, entweder studioalbum 2.0 (da lag ich anscheinend falsch) oder zu viel rock/impro whatever, da geht mir die persönliche katharsis verloren, in jedem fall ist meine eingangsthese MICH betreffend bestätigt = live: nicht gut. schön für dich, dass du the national live magst, gut ist. meine herren.

    • Vor 6 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 6 Jahren

      Ja, du bist aber auch ein voreingenommener Lump, ey. Jetzt schreibe ich, dass The National live ein Element der Katharsis haben, dass sie auf Platte so nicht rüberbringen. Und plötzlich sagst du, du willst live nicht hin, weil da die Katharsis fehlt. Ja wie passt das denn zusammen.
      Ansonsten würde ich dich ja in Ruhe lassen, wenn deine Begründungen etwaas konsistenter wären. So kann ich ja fast gar nicht anders, du doppelter Lump.

    • Vor 6 Jahren

      Und der Speedmeister hat's mal wieder absolut begriffen. Hin da!

    • Vor 6 Jahren

      "Und plötzlich sagst du, du willst live nicht hin, weil da die Katharsis fehlt." jesus christ, ich hab doch im ersten post rüberzubringen versucht, dass eine live-erfahrung von the national in jedem fall, sei es studio-like, sei es eben ne einzigartige live-performance, failen muss in meinem fall aufgrund meines intimen zugangs zur musik. jesses, lies doch mal, statt soviel zu schwafeln.

      hab im verlauf realisiert, und im gespräch mit nem kumpel soeben, dass laut.de viel zu viel energie und lebenszeit frisst ohne vernünftigen ertrag, also das wars jetzt, ciao.

    • Vor 6 Jahren

      "dass laut.de viel zu viel energie und lebenszeit frisst ohne vernünftigen ertrag, also das wars jetzt, ciao"

      Ein Lump erkennt, das Musik nicht umbedingt mit Vernunft einher geht. Tipp des Tages, Kopf aus dem Kühlschrank nehmen und den Neunender von der Wand nehmen. Als Zierde ausgedient. Irgend jemanden dem du vertraust, das Ding in die Hände drücken und zulassen den Schmerz. Wunderbar!!! Deine Schreie klingen wie Musik, nicht nur in meinen Ohren. ;)

    • Vor 6 Jahren

      Hab doch gesagt, den Neunender nur jemanden geben, dem du vertraust! Dann wäre das Missgeschick deines versehentlichen Todes, nicht geschehen.

      Gleep wie kann man nur so völlig befreit jeglicher Selbsterkenntnis, hier aufschlagen und sich mit dir messen wollen? Echt hart so was anzuschauen.....

      R.I.P Post Rocker!

    • Vor 6 Jahren

      https://www.amazon.de/Lederpeitsche-9-schw…

      Falls sich jemand fragt, ob er sich das Ding zulegen soll!

    • Vor 6 Jahren

      Der "Kumpel" war wohl ein wohlbekannter Schwabe

      #crazederuservernichter!!!1

    • Vor 6 Jahren

      Ganz ehrlich, ich hab ein verdammt schlechtes Gewissen, gerade. Hoffe Post Rocker kommt wieder. Völlig übertrieben, sorry dafür.

    • Vor 6 Jahren

      Jetzt ist er nur noch ein post mortem rocker :D

    • Vor 6 Jahren

      Uiuiui, so fühlt es sich also an, ein User-Leben auf dem Gewissen zu haben. Dabei wollte ich mir doch nur ein kleines Späßlein mit dem rost-pocker machen. Da muss ich jetzt erst einmal in mich gehen, reflektieren und schauen, wie ich das verarbeiten kann. :-(

    • Vor 6 Jahren

      Und? Fertig?

    • Vor 6 Jahren

      Nein. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich lieber in eine Phase religiös eifernder Buße verfallen oder dann doch gleich ein Leben voller Kriminalität und Gewalt abdriften sollte. So oder so werde ich nie mehr der Selbe sein.

    • Vor 6 Jahren

      dann ist es vll. für dein seelenheil das beste, wenn du mit dem kapitel laut.de abschließt, hmm?

    • Vor 6 Jahren

      Das sowieso.

    • Vor 6 Jahren

      Finde Gleep du hast keine Wahl, religiöse Kriminalität und eifernde Gewalt ist genau dein Ding! Ab und zu schaust bei mir vorbei und bringst mir den neusten Neunender vorbei. Du tust schon wissen, Materalien können so unterschiedliche Empfindungen auslösen, ich mag kein Latex z.b., das klebt so ecklig. ;)

    • Vor 6 Jahren

      du magst kein latex, weil man dich sonst umgehend in der nordsee abladen würde :lol:

  • Vor 6 Jahren

    ehrlich geagt empfinde ich gerade den hier gebotenen live-kontext als famose ergänzung zu den studiofassungen. aus meiner sicht ist es ohnehin eine band, die jede tour dokumentieren sollte, weil sie in jeder facette - egal ob hallenoffensiv oder clubintim - ausnahmslos überzeugt. für mich eine der besten liveplatten der letzten 10 jahre.

    • Vor 6 Jahren

      Warum veranstaltet die Redaktion von Laut nicht regelmässige Kurse, in Fragen Geschmacksfindung, mit ihren Autoren und/oder Praktikanten? Fortbildungsleitung würden mir reichlich einfallen, also daran scheitert es nicht!

    • Vor 6 Jahren

      Warum macht ihr nicht dies oder das? Du bist wie ein nerviges Kleinkind!
      .....Fortbildungsleitung würden mir reichlich einfallen......
      Auch sprachlich! Wie ein nerviges Kleinkind!
      Besuch doch bitte mal einen Kurs in Fragen Löschung!

    • Vor 6 Jahren

      Der wäre mir zu teuer Scientologe! Will doch keiner das ich mich lösche, siehe großer Spaßfaktor wäre einfach weg.

      Den Stock den sich manche Erwachsene, wenn sie älter werden aneignen, da gibt es keine Fortbildung für. Den musst du schon selbst aus dem Allerwertesten nehmen, Scientologe! Ich könnte den mit einer Vibratorfunktion ausstatten, eventuell bereitet er dir dann Vergnügen? :)

    • Vor 6 Jahren

      eine ähnliche vorrichtung gibt es für musikhörer längst. hat der carlos erfunden oder zumindest als erster dem konzept beigefügt.

      "und eines etwas science-fictionhaft wirkenden Erotikspielzeugs samt (per Mobilfon!) steuerbaren Unisex Vibrators. "

      https://www.laut.de/Carlos-Peron/Alben/11-…

    • Vor 6 Jahren

      Na slso geht doch, böse gesagt, ich bin ja auch gerade auf dem Fetischtrip, hast du brav gemacht das Stöckchen holen. :D