laut.de-Kritik

Live-Session unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Review von

Das Christian Outreach Center in Weilheim ist eine den Mitgliedern von The Notwist wohlbekannte Kirchengemeinde. Nicht weil sie dort öfter verkehrten, sondern weil das überschaubare Stadtbild einfach wenig verbirgt, erst recht keine spirituell problematischen Kuriositäten. Für die Funkyness, nach der solcherlei Freikirchen unter Verwendung von zahlreichen Anglizismen wie "urban" und "church service" streben, muss man in der oberbayrischen Stadt allerdings ein paar Straßen weitergehen: Zum "Alien Research Center" nämlich, wie die Band ihr Homestudio als kleine Reprise benannt hat. Dort spricht zwar auch niemand von Gottesdienst, dafür taugt die dort aufgeführte Musik für Plattenpressungen und Ehrfurchtsbekundungen von München bis New York.

Und natürlich dient den Fans jede Notwist-Platte als neuerliche Einladung zu einem heimischen church service, und genau an diese Klientel richtet sich "Vertigo Days - Live From Alien Research Center" ganz besonders beziehungsweise ausschließlich. Ihr vor zwei Jahren erschienenes, aktuelles Studioalbum "Vertigo Days" verfrachten die Gebrüder Acher und Cico Beck mit vier weiteren Musiker*innen in einen speziellen Live-Kontext.

Der im Studio beinahe akademisch verfolgte Ansatz, filigrane Jazz-Strukturen in neue rumpelig-perkussive Kraut-Hymnen zu integrieren, wird hier komplett über Bord geworfen. Notwist lassen sich treiben, wie man sie auf der Konzertbühne oder vom letzten Livealbum "Superheroes, Ghostvillains + Stuff" her kennt. Improvisationen sind nicht nur erlaubt, sondern eherne Pflicht, um in diesen speziellen Psychedelic-Space-Flow zu kommen, der live seit Jahren über das Publikum hinwegwalzt.

Was ist den geneigten Notwist-Nerds sonst noch Neues zu erzählen? Anhängerinnen des Bassklarinettenspiels bekommen hier etwas für ihr Geld. Neuzugang Theresa Loibl äußert sich mal subtil zurückgenommen wie im einzig nicht vom letzten Album stammenden Interlude "One Of These Days", zieht aber auch mal alle Register, wie man es noch von Musikschulvorführungen her kennt ("Into The Ice Age"). Natürlich alles vorab abgesprochen mit den Groovebrüdern Markus und Micha Acher, die sich ihrerseits mit Bariton, Melodica und sonstigem Gerät wenig Verschnaufpausen gönnen.

Die Stimme von Tenniscoats-Sängerin Saya auf "Ship" kommt aus der Dose, ansonsten ist keine der im Original gefeaturten Gastvocals dabei, wodurch eine zusätzliche neue Note entsteht. "Vertigo Days - Live From Alien Research Center" ist sicher kein Ersatz für die tolle Studiovorlage, eher eine Art improvisatorische Weiterführung, maßangefertigt für den Merchandise-Stand der im März startenden Tournee. Der Auftritt ist samt Live-Visual-Effekten auch hier abrufbar, bei dem einem nur das wieder mal großartige Cover-Artwork entgeht.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Into Love / Stars
  3. 3. Exit Strategy To Myself
  4. 4. Where You Find Me
  5. 5. Ship
  6. 6. Interlude
  7. 7. Into The Ice Age
  8. 8. Oh Sweet Fire
  9. 9. Sans Soleil
  10. 10. Loose Ends

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