laut.de-Kritik

Man glaubt beinahe, selbst dabeigewesen zu sein.

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Schon länger müssen Fans der Weilheimer Soupergroup auf neues Material von ihren Helden warten. Bis zur nächsten geplanten LP wird es wohl auch noch ein bisschen dauern. Da kommt eine DVD, die tiefe Einblicke in das Innenleben der Band gewährt, gerade recht. "On/Off The Record" ist ein extrem ruhiger Dokumentarfilm, quasi ein "The Making Of Neon Golden".

Der Streifen beginnt in Mario Thalers U-Phon-Studio in der Nähe von Weilheim in Oberbayern und endet mit dem legendären Konzert im Pathos Theater, bei dem Notwist Neon Golden vorstellen und dabei eine ganz neue Form des klassischen Konzerterlebnisses bieten: Die Band im einen Raum, der Elektroniker (M. Gretschmmann) im Keller. Und das Publikum mit Radioempfängern, die das produzierte empfängt, dazwischen.

Doch bevor es soweit war, musste auf dem Weg zum grellen Gold so manches Hemmnis aus dem Weg geräumt, so mancher Sound ertüftelt und so mancher Groove diskutiert werden. Denn: Notwist gehören wahrlich nicht zu den Bands, die es sich leicht machen, bzw. es leicht haben und spielerisch ihre Musik aus dem munteren Bäuchlein herauszwitschern. Nein. Hier kommt die Musik vor allem aus dem Kopfe.

Und dass sie dann am Ende ihres Entstehungsprozesses nicht verkopft klingt, und das tut sie bei Notwist trotz allen Grübelns nicht, muss die Band hart arbeiten. Und so sehen wir auf "On/Off The Record" eine Gruppe von Perfektionisten bei der Arbeit. Selten zufrieden, oftmals leicht ratlos. Weil die Musik, die im Geiste bereits existiert aber nur sehr schwer in die reale Welt zu transportieren ist.

Dies muss vor allem der (arme) Martin Gretschmann immer wieder spüren, wenn ihm die Aufgabe obliegt, die sublimen Vorstellungen seiner Mitstreiter in Sounds zu übersetzen. Sehr schön zeigt dies beispielsweise die Szene, in der Markus Acher als Briefing "ja, Insektensounds" durchgibt, dabei aber einen ganz speziellen vor Augen hat. Nicht einfach das. Auch die beiden Produzenten Thaler und Olaf Opal scheinen manchmal kurz der Verzweiflung nahe. Aber sie reißen sich zusammen, weil sie spüren, dass hier etwas Einzigartiges entstehen kann.

Warum das so ist, macht die sehr sensibel erzählte DVD dem Zuseher auf intime Weise deutlich. Er befindet sich mitten im Schaffensprozess, in langen Echtzeitsequenzen ist er am langsamen Gären der Ideen beteiligt. Er sieht und fühlt sich wie der fünfte Notwist. Auch die Atmosphäre um das Studio fangen schöne Bilder vom Landidyll mit Insekten und Kühen auf den Wiesen ein. Ebenso geht's mit auf den Marktplatz, wo die Gebrüder Acher den Blechbläser geben und man bemerkt wie wenig abgehoben und wie stark verwurzelt in ihre Umgebung diese Menschen sind.

"On/Off The Record" zeigt auch, wie sehr die Band auf die Musik fokussiert ist und wie wenig sie dem Rockstar hinterherhechelt. So geben sich die Gebrüder Acher - zunächst im Verlauf der Labelsuche - später dann bei der Vermarktung des Albums als sehr störrische Widerborste gegenüber allem, was auch nur ansatzweise nach Sellout müffelt. Sogar eher selbstverständliche und eigentlich vergnügliche Aktivitäten wie Fotoshootings akzeptieren sie nur äußerst missmutig als notwendiges Übel.

Am Ende der DVD glaubt man beinahe, dabeigewesen zu sein, als Neon Golden enstand. Das ist eine Stärke der Dokumentation, die angenehm wenig verklärt und beschönigt oder beschleunigt. Für Notwist-Fans ein Muss, aber ebenso für jeden annderen Musifreund ein spannendes Machwerk, der hinter die Kulissen der Glitzipoppiwelt blicken möchte. Als kleine Zugabe gibt es noch einige Videos der Band, die allerdings für meinen Geschmack nicht so dolle sind. Dafür ist es die Dokumentation umso mehr.

Trackliste

Dokumentarfilm Featuring The Notwist

Videos

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LAUT.DE-PORTRÄT The Notwist

Sie sind wohl der Inbegriff der deutschen Indie-Band: The Notwist. 1989 im bayerischen Weilheim von Markus Acher (Gitarre, Gesang), Michael Acher (Bass) …

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