laut.de-Kritik
42 Songs zur Goldenen Hochzeit.
Review von Giuliano BenassiDieser Meckerpunkt muss sein: Die Herren Townshend und Daltrey erweisen sich einmal mehr als Weltmeister des Recyclings. Im Laufe ihrer Karriere haben sie um ein Vielfaches mehr Best-Ofs, Liveplatten und DVDs mit historischem Material veröffentlicht als Studioalben. Es gibt also eigentlich keinen Grund dafür, noch eine Zusammenstellung herauszubringen. Oder zu kaufen.
Doch geht es hier um ein Jubiläum, da erscheint Kritik nicht ganz so angebracht. Schließlich will auch niemand bei seiner goldenen Hochzeit Misstöne hören. Darum geht es schließlich: Seit "Zoot Suite" (als The Who noch High Numbers hießen) sind unglaubliche 50 Jahre vergangen. Seit den grandiosen "I Can't Explain", "My Generation" und "Anyway, Anyhow, Anywhere" 49. Aus den jungen Wilden sind gestandene Herren geworden, die aber immer noch rocken können, wie sie 2013 mit "Quadrophenia Live" bewiesen haben.
Zum runden Geburtstag haben sie nicht lediglich einer ihrer vielen Best-Ofs ein neues Cover verpasst, sondern die Mastertapes ausgegraben und die 42 hier vertretenen Songs größtenteils neu abgemischt. Das Ergebnis lässt sich hören: Keith Moons Schlagzeug wirkt präsenter denn je. John Bonham mag zwar noch zwei Hände und zwei Beine mehr gehabt als der schon mit vielen Gliedern ausgestattete Mooney, doch war er es, der zum ersten Mal in einer kommerziell erfolgreichen Pop-Rock-Combo sein Instrument in den Mittelpunkt stellte. Und dabei ein Meister war.
Fast könnte man meinen, The Who haben ihre alten Werke "led zeppelinisiert", so nah klingen die Instrumente und Roger Daltreys Stimme, wenn sie aus den Lautsprechen quellen. Right in your face, wie damals, als sie mit ihrer Energie und dem Rowdytum auf der Bühne die Prototypen der rebellischen Rock-Stars wurden. So poliert wie die Rolling Stones waren sie nie, auch wenn sie sich Skandale à la Keith Richards sparten.
Natürlich gibt es auch hier Auszüge aus den Rock-Opern "Tommy" und "Quadrophenia" sowie die altbekannten Gassenhauer. Die Macher haben sich aber entschieden, viele alternative Versionen zu verwenden, etwa Single-Auskopplungen statt Album-Versionen oder eine Liveaufnahme für "Summertime Blues". Auch sind einige Lieder aus der Anfangszeit mono abgemischt.
Dazu gesellen sich einige weniger bekannte Stücke. "Dogs" und "Call Me Lightning" erschienen 1968 als Single, ohne große Spuren zu hinterlassen, "Let's See Action" war mit Platz 16 im UK 1971 eine etwas erfolgreichere Single. "Postcard", 1976, aus der Feder von Bassist John Entwistle, tauchte ansonsten ebenso in der Bandgeschichte unter wie "Athena" und "Eminence Front" aus dem Jahr 1982.
Und ja, es gibt einen frischen Song namens "Be Lucky", der Appetit auf ein neues Studioalbum machen soll, das für 2015 geplant ist. Nichts wirklich Innovatives, natürlich, ein schnelleres Rock-Stück und, wie schon "Endless Wire" 2006, überraschend okay.
Doch zunächst ist eine Jubiläums-Tour geplant. Die startet in Abu Dhabi, geht in Großbritannien und Irland weiter und grast schließlich noch die USA ab. Mit 50 sind The Who also noch voll mit dabei. Herzlichen Glückwunsch!
Leider jedoch muss die Besprechung enden wie sie begonnen hat: mit einem Meckerpunkt. Warum die Compilation in zwei CD-Formaten veröffentlichen (von denen die Single-CD-Version unnütz ist) und nicht auch auf Vinyl? Das ergibt angesichts der Dienstjahre der Band nun überhaupt keinen Sinn.
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