laut.de-Kritik
Ami-Advent made in Germany.
Review von Philipp KauseDieses Advents-Album ist eigentlich kein neues. Schon letztes Jahr schmachtete Tom Gaebel "Driving Home For Christmas" in einer lässig angejazzten Soulpop-Fassung und mischte deutschsprachige Lieder mit anglophonen, rührte sattsam bekannte mit eigens für diesen Release komponierten oder adaptierten Nummern in einen Topf. Weil Tom 2023 nicht nur "A Christmas To Remember" versprach, sondern sich wirklich noch an letztes Jahr erinnert und das Management der Firma Warner die Premium-Verkaufszahlen noch im Hinterkopf hat, erscheint "A Christmas To Remember" 2024 als "Extended Edition". Nerds werden sagen, klar, "Extended Version", also lange Versionen der gleichen Songs.
Stimmt aber nicht. Die Erstauflage endete mit anderen Tracks, und Begriffe wie Deluxe, Box und Bonus hat man damals schon für eine CD mit textiler Socken-Beigabe verschlissen. Jetzt ohne den Klassiker aller Verlegenheits-Geschenke, treten fünf neue Tracks in die Titelliste ein. Einer verträumten Easy Listening-Edit von "Last Christmas" bleibt Gaebel trotzdem treu. Zwischen Orchester und Big Band-Feeling entscheidet sich der 49-Jährige da nicht so recht. Warum auch, er ist sowieso flexibel genug, um im Kammerjazz-Trio oder mit großer symphonischer Ausrüstung aufzutreten. "Last Christmas" gerät durch vorsichtig eingesetzte Streicher, Klimper-Klavier und Posaune sowie Broadway-Flair halbwegs erträglich. Aber wer braucht das nochmal auf CD?!
Der oft schon tot gesagte Silberling erlebt hier als Tonträger zumindest eine saisonale Renaissance. Genauso wie Schnee. Den hatten wir sehr viele Dezember lang höchstens stunden- bis tageweise und wohl 2011 zuletzt in nennenswertem bundesweiten Umfang. Dessen ungeachtet, waren "Zwei Männer Im Schnee" irgendwann "schrecklich einsam / doch gemeinsam teil'n sie sich den Weg." - Den zweiten Mann - beide sind Autofahrer, die im Schneegestöber bei einem Unfall stecken bleiben - mimt Gregor Meyle. Der Tontechniker und Popsänger, bekannt aus "The Masked Singer", "Sing meinen Song", VOX-"Meylensteine" und weiteren TV-Formaten, macht im Duett eine brillante Figur.
Die beiden Soundtrack-Lieferanten für Tannenbaum und Shopping-Malls musizieren auf diesem neuen Song im '30er Jahre-Stil der Comedian Harmonists mit dem Kalauer-Humor Heinz Erhardts. Die Liedhandlung konfrontiert hier einen Berufs-Entertainer, der einen bonbonsüßen Lifestyle gewohnt ist, mit einem Macher, der sich mit Business-Zahlen auskennt. Beide Herren kennen keinen Stillstand und verstehen einander auf Anhieb bei ihrem Schnee-Malheur.
"Kälte spür'n wir nicht, denn alle Mann ha'm Jacken an und Freude im Gesicht", erfahren wir auf der "Schlittenfahrt Zum Weihnachtsmarkt": "Die Sonne lacht, in stiller Pracht. Die Welt ist tief verschneit." - Schnee fällt ebenfalls im erfrischenden Country- und Western-Rockabilly "Merry Christmas Everyone". The BossHoss sorgen dafür, dass dieser fröhliche Tune ohne all das sonst übliche Zuckrige auskommt - ein sehr alternatives Stück Weihnachtsmusik!
Schneegestöber macht auch vorm Acid-Jazz nicht Halt, der sich in "Komm, Wir Geh'n Zusammen" mit einer Prise Simply Red und Cultured Pearls ausbreitet. Das Szenario: "Sind wir einfach los gefahren / ab in den Schnee, so ganz spontan, nur wir beide (...) Du hast den dicksten Pulli an, wie süß das bei dir aussehen kann." - Klar, zu viel Intellektualität braucht man jetzt nicht erwarten, denn diese Songs sollen lediglich der Soundtrack zu Spaß und Konsum sein. Gemessen an diesem Zweck, sind sie wirklich sehr gut. Trotzdem muss man einräumen, dass sich das halbe Album so zusammen fassen lässt, dass alle gut und warm angezogen sind und alle sich freuen.
Insbesondere aus Kinder-Sicht spielt das Materielle eine tragende Rolle. "Toys in every store", Spielzeuge in jedem Geschäft, fallen auf, im sehr amerikanischen Stück "It's Beginning To Look A Lot Like Christmas". Die subtilere Instrumentierung hier und in einer Reihe Songs, die auch mal leise Töne anschlagen, ist wohltuend. Saxophon- und Trompeten-Schnulz wie in "Weihnachten Mit Dir" oder "Underneath The Tree" gibt's schon inflationär oft, wobei er hier noch erheblich feiner, edler, weniger überschminkt klingt als anderswo.
Die Festtage paaren sich mit dem Jahreswechsel - auch der bietet mitunter Anlass zur Vorfreude, in mehreren Liedern. In "Thank God It's Christmas" tritt die erlösende Funktion des Heiligen Abends in den Vordergrund, und der Rückblick aufs zu Ende gehende Jahr macht einen bedenklichen Eindruck: "It's been a long, hard year!" - 2024 war wohl wirklich weltweit kein Zuckerschlecken. Andere Stücke handeln davon, wie man sich von innen wärmt, oder von außen, zum Beispiel mit Apfelstrudel - auch einem eindeutigen Grund zur Vorfreude ("My Favorite Things").
Manchmal kann die Ruhe zwischen den Jahren schon das Entscheidende sein, und "Wintersee" vertont dieses Gefühl, verbunden mit Sehnsucht, als neueste der sechs deutschsprachigen Nummern recht sinnlich. Ein Aufgebot inklusive Flöte und Cello erweckt die hinreißende Melodie, die Gaebel selbst komponiert hat, zum Leben. Teils wogend, teils mit tollen Triller-Figuren, setzt Toms Ensemble das malerische Stück um. "Wintersee" wirkt, als sei der Song im 19. Jahrhundert getextet, ist aber eine exzellente Neuschöpfung.
Die Mischung aus solchen retardierenden Momenten und fetzigen Phasen macht den individuellen Reiz dieser zu Recht beliebten Kollektion aus, und da hat die "Extended Edition" klar die Nase vorn. Und schon im Vorjahr, war es eine gute Idee, "Mele Kalikimaka" als hawaiianischen Festtags-Gruß mit Schifferklavier, einem lockeren Pfeifen auf den Lippen und viel "bee-bop-dee-boo" aufzunehmen. Bing Crosby mit den Andrews Sisters machte den Singalong populär. Auf eine Crosby-Qualität, das gekonnte Crooning, kann Gaebel stolz sein.
Eine pfiffige Paarung zweier charismatischer Stimmen bietet das "Christmas Twist Medley", in dem Helmut Lotti zum Tanz auffordert. Ebenso verbirgt sich hinter "Happy Weihnacht" ein Medley: "Stille Nacht", "Morgen Kinder, wird's was geben", "Oh Tannenbaum" usw. münden hier in einen Flow, und die Platte spielt ihre Segmente und Stärken, Rock, Swing, Andacht, Glitter-Pop-Kino-Soundtrack, American Standard-Style, alles zusammen in einem Track aus.
4 Kommentare
Da könnte auch Jan Delay ein X-Mas Album aufnehmen. Furchtbare Stimme. Nasal und überhaupt....flüssiger als Wasser!
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Bisher kannte ich keine Last Christmas Coverversion, die meine Frau nicht auf irgendeine Art und Weise witzig finden würde, aber nun kann endlich auch dieses Kapitel geschlossen werden.
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