laut.de-Kritik

Aufwühlende Retrospektive im klassischen Gewand.

Review von

Als Tori Amos im vergangenen Jahr unter dem ehrwürdigen Deutsche Grammophon-Banner ihr mystisches "Night Of Hunters"-Konzept in die Welt trug, dachten viele, dass es sich dabei um eine einmalige und ganz persönliche Kreisschließung für die Bösendorfer-Elfe handeln würde. Doch dem war scheinbar nicht so, denn für ihr mittlerweile dreizehntes Studioalbum "Gold Dust", schob die zierliche Sängerin abermals ihren schweren Flügel in ein Studio - randvoll gefüllt mit feinsten Zwirn tragenden Klassik-Nerds und ihren untergebenen orchestralen Instrumenten.

Mit Ausnahme ihres Debüts "Y Kant Tori Read" sowie der Alben "To Venus And Back", "Strange Little Girls" "The Beekeeper" und "Night Of Hunters", durften alle vergangenen Tori Amos-Werke ihre eindrucksvollsten Eckpfeiler zur Schau stellen, aus denen die Protagonistin letztlich vierzehn Songs auswählte, um sie mit dem "Gold Dust"-Button zu adeln.

Von einer konventionellen Greatest Hits-Retrospektive ist "Gold Dust" allerdings weit entfernt. Stattdessen beweist die Songauswahl, zu welch selbstbewusster Persönlichkeit sich die ehemals fragil und zerbrechlich wirkende Tori Amos im Laufe der Jahre entwickelt hat.

Weder ihr erstes Ausrufezeichen "Me And A Gun", noch Hits wie "Cornflake Girl" oder "Hey Jupiter" schafften es in die engere Auswahl. "Gold Dust" bietet eher eine Plattform für die vielen tiefgreifenden far-away-from-mainstream-Perlen, die sich seit dem "Little Earthquakes"-Durchbruch im Jahr 1992 bis zum 2009er-Schaffen "Midwinter Graces" angesammelt haben.

Aufwühlende Vierminüter wie "Jackie's Strength", "Cloud On My Tongue", oder der zauberhafte "Boys For Pele"-Erguss "Marianne" glänzen im klassischen Gewand mit ebenso hohen Haltungsnoten wie Verstörendes à la "Precious Things". Dabei drängen sich die Orchester-Untertanen des Metropol Orkests aus Amsterdam unter der Leitung von Jules Buckley aber nur selten ins Rampenlicht.

Eher wie ein imposanter Klang-Schutzwall fungierend, halten punktuell einsetzende Streicher, Oboen und Klarinetten der Sängerin den Rücken frei, um dem unvergleichlichen Timbre der Verantwortlichen ausreichend Spielraum zu gewähren. Diesen nutzt Tori Amos auch eindrucksvoll aus und lässt dabei ehemals, mit zittrigen Lines versehene Songs, anno 2012 vor Ausdrucksstärke nur so strotzen.

Zwar halten sich Stimm-Arrangements und Strukturen weitgehend an den Originalen, doch werden die Neuinterpretationen durch die über die Jahre hinzugewonnene Stimmbandfestigkeit der Amerikanerin in völlig neue Gefühlswelten transportiert. So zieht sich feinstes Gold über vermeintlich Angestaubtes und lässt den Titel letztlich zum Programm werden.

Trackliste

  1. 1. Flavor
  2. 2. Yes, Anastasia
  3. 3. Jackie's Strength
  4. 4. loud On My Tongue
  5. 5. Precious Things
  6. 6. Gold Dust
  7. 7. Star Of Wonder
  8. 8. Winter
  9. 9. Flying Dutchman
  10. 10. Programmable Soda
  11. 11. Snow Cherries From France
  12. 12. Marianne
  13. 13. Silent All These Years
  14. 14. Girl Disappearing

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Tori Amos

Eigentlich spielt Tori Amos nur Klavier und singt dazu. Aber das tut sie eben einmalig schön. Sie erblickt am 22. August 1963 als Myra Ellen Amos in …

3 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Danke für die Rezi. Ja, schade, daß von The Beekeeper nichts dabei ist, ich hätte gerne Barons of Surburbia in diesem Gewand gehört.
    Und jetzt widme ich mich wieder der hemmungslosen Anbetung.

  • Vor 11 Jahren

    "Stattdessen beweist die Songauswahl, zu welch selbstbewusster Persönlichkeit sich die ehemals fragil und zerbrechlich wirkende Tori Amos im Laufe der Jahre entwickelt hat."
    Wie selbstbewusst kann eine Person sein, die sich dem alter nicht stellen kann und stattdessen an sich herumschnippelt. Irgendwie bringt mich das, gerade bei der Musik von Amos, durcheinander. Ich dachte immer, es handelt sich um eine starke Persönlichkeit. Sie lebt dies in ihren Liedern auch vor. Mehr noch als bei Kylie oder sonst wem bringt mich das rumgeschnippelt durcheinadner, da es im kompletten Kontrast steht.

  • Vor 11 Jahren

    Außerdem können mich diese Neuaufnahmen nur halb überzeugen. Bei einigen Titel überwiegt die Frage nach dem warum. Die Unterschiede sind nicht groß, da kann ich auch zu den eigentlichen Aufnahmen greifen. Eine große Künstlerin, aber ich frage mich ernsthaft, ob ich Gold Dust brauche, wenn ich doch den ganzen Backkatalog habe.