laut.de-Kritik
Wer braucht schon eine zweite Coldplay-Karriere?
Review von Daniel ThomasEs gibt eigentlich keinen anderen Weg, als den Schotten auf wohlwollende Weise zu begegnen, auch wenn die anfänglichen Verzückungen schon vor längerem unterwegs verloren gegangen sind. In anderen Worten: Travis werden 2016 niemanden mehr hinterm Ofen hervor locken, den sie nicht schon mit einer ihrer ersten drei Platten gefangen genommen haben. Sie dafür an den Pranger zu stellen gehört aber nach wie vor zu den No-Gos – und das ist irgendwo auch eine Leistung.
"Everything At Once" reiht sich ein in eine Diskografie, die - bei allen Erfolgen - von Bescheidenheit geprägt ist. Nach der ganz großen Pop-Geste stand der Band noch nie der Sinn. Zum Glück! Wer bräuchte schon einen weiteren Coldplay-Werdegang? Auf "Everything At Once" sind die Songs dafür zu zaghaft, obwohl Travis ihrem Britpop an manchen Stellen eine extra Zuckerglasur verpasst haben, nicht selten zum Nachteil der Stücke.
"Animals" beginnt beispielsweise mit einem Streicherdickicht, das höchstens bei Enya nicht weiter unangenehm auffallen würde, weil sie um stapeldicke Retortensounds noch nie verlegen war. Das zusätzlich pompös hallende Schlagzeug schnürt dem Song einen Schuh, der Travis einerseits zu groß ist und andererseits ein zweifelhaftes Modebewusstsein erkennen lässt. Das ist durchaus schade. Aus der Melodie im Chorus hätten sie in früheren Tagen nämlich einen garantierten Hit geschustert.
"Strangers On A Train" klingt auf seltsame Weise nach den U2 der jüngeren Vergangenheit, Fran Healy nach Bono und die dem Song innewohnenden Ambitionen rufen "Wäre ganz nett, wenn das im Radio laufen würde, muss aber auch nicht unbedingt."
Es finden sich auf "Everything At Once" jedoch auch schnörkellosere, gelungenere Songs. In "Idlewild" singt Healy die Strophen fast teilnahmslos ehe die britische Soulsängerin Josephine Oniyama den Moll-lastigen Refrain übernimmt. Ebenfalls ganz nett geraten sind "What Will Come", "Magnificent Time" oder "All Of The Places", die sich an der gleichen Stimmung wund scheuern wie die großen und in Würde gealterten Travis-Hits "Why Does It Always Rain On Me" oder "Sing". Zum Gassenhauer-Status reicht es diesen Songs trotzdem nicht. Dafür fehlt die juvenil-melancholische Intensität, die gegen eine zufriedene Altersmilde eingetauscht wurde: "No regret, don't you forget this magnificent time".
Dass Fran Healy in "Paralysed" plötzlich auf die Kardashians schimpft, lässt fast wieder aufhorchen. Wirklich anecken dürfte das mittlerweile doch recht ergraute Gesicht der Band damit allerdings so wenig wie die übrigen neun Songs.
7 Kommentare mit 3 Antworten
Werde mal testen ob es so langweilig wie das letzte ist, das hat mich nach der recht catchigen single schon schwer enttäuscht
Vurst
Nein, ist besser und kurzweiliger. Bin ebenfalls überrascht. Der CP Vergleich hinkt. Anyway.
Vurst
Vurst
Kann ich mir leider nicht mehr wirklich geben. Hab's vor 15 Jahren zu "The Invisible Band" Zeiten extrem abgefeiert. Über die Jahre hat sich der Stil allerdings viel zu wenig verändert und heute packt es mich überhaupt nicht mehr.
Gerade den Coldplay-Vergleich finde ich ironisch; Travis haben meiner Meinung nach verpasst, was Coldplay (egal, was man von ihnen hält) offensichtlich mehrmals probiert – und, wie ich finde, auch geschafft haben: Weiterentwicklung, und keine Stagnation. Dieser Brit-Pop-Stil mit Akustik-Gitarren, reduziertem Arrangement, schön-cleanen Drums hat sich für mich ziemlich ausgelebt.
Im Gegenzug wertet dieses Album immerhin den schon sehr generischen Vorgänger auf. Auf "Where You Stand" gab es wenigstens noch 3, 4 Highlights (Titeltrack, Moving, Another Guy), hier sticht jetzt einfach gar nichts mehr raus.
Naja. Ein, zwei Mal im Jahr gebe ich mir Inivisble Band oder Man Who und ein paar Singles, ansonsten war's das für mich leider mit einer meiner Jugend-Favoriten
Travis leben leider nur noch von ihrer Vergangenheit. Wäre das ihr Debüt-Album, würde das nicht eine Person jucken.
halt genau richtig, für nen promo-auftritt im frühstücksfernsehen der ör
Was ist Travis ohne die tollen Melodien?
Travis gehen keine ("künstlerische") Gefahr ein und das ist GUT!