laut.de-Kritik
Der kleine Vampir versteckt sich hinter seiner Tracklist.
Review von Yannik GölzTrippie Redd würde einen guten Rapjournalisten hermachen. Was dem Rapper aus Ohio bisher an wirklich großartigen Alben fehlt, macht er mit Spürsinn wett. Über seine ganze Karriere bewegt er sich schon immer im etwaigen Dunstkreis der aktuellen großen Rap-Bewegung. 2017 war er ein Uzi-Klon, dann bandelte er mit XXXTentacion, Juice WRLD, Travis Barkers Pop-Punk-Bewegung und schließlich auch Playboi Cartis Rage-Welle an. Respekt hatte er immer, Hits immer mal wieder. Aber auch mit "Mansion Musik", das sich Sound-mäßig irgendwo zwischen Carti und Chief Keef einsortiert, schafft er nicht den Sprung aus dem Windschatten. Stattdessen gerät sein Feature-Komplex fast ein wenig außer Kontrolle.
Deshalb gleich die große Kritik vorneweg: Dieses Album misst monumentale 25 Tracks, auf gerade einmal vier Stück (!) davon kommt er ohne Unterstützung aus. Vier, weil auf einem das geplante zweite (!) Kodak Black-Feature spontan abgesagt wurde. Wir haben hier auch nicht diese Post-"Life Of Pablo"-Kanye-Situation, in der jedem Gast ein absolut essentielles Stück Kollaboration abgerungen wird, "Mansion Musik" stinkt an vielen Enden nach Rap-Biz-Politik; schick mir ein Feature hier, ich schick dir ein Feature hier. So gibt es dann zwar durchaus die Verses von Future, Chief Keef oder Ski Mask The Slump God, denen man den gegenseitigen Respekt abkauft und die sich auf Trippies Sound einlassen. Es gibt auch Rapper wie Juice WRLD oder Lucki, die einfach so sehr gute Verses abliefern. Aber es gibt so viele Negativbeispiele.
Nardo Wick, Lil Durk, Lil Baby, G Herbo, Rich The Kid, motherfucking DaBaby mit einem richtig komischen Autotune-Gesangs-Verse – warum mussten all diese Leute mit ihren hingerotzten und offensichtlich um drei Uhr Morgens aufgenommenen Parts auf dieses Album? Man weiß doch inzwischen, was man meistens zu erwarten hat, wenn man diese Leute bei einem Artist ohne direkten Kontakt gastieren sieht. Was haben Lil Durk und Trippie Redd miteinander zu schaffen? Wird G Herbo sich auch wie ein androgyner Vampir verkleiden? Wähnt sich Lil Baby mit Trippie in einer "dunklen Bruderschaft"? Interessiert sich Rylo Rodriguez für Hexerei oder Rob49 für Okkultismus? Zweifel sind angebracht. Bei einer ohnehin schon gemästeten Tracklist sind Songs, deren Kürzen sich ja geradezu aufdrängt, umso weniger verständlich.
Das ist besonders schade, weil "Mansion Musik" abgesehen davon durchaus etwas zu bieten hat: Auch er kanalisiert dazu "Whole Lotta Red"-Explosivität und diesen röchelnden Quasi-Rock-Vocals, die Trippie durchaus auch gut kann, vielleicht ein bisschen handwerklich sauberer, dafür nicht ganz so wahnwitzig wie Carti. Angereichert wird das dann aber statt mit F1lthy und seinen Pi'erre Bourne-Gedenk-Synths mit diesen verstrahlten Billo-Horn-Synths, die man in dieser Spielart von Leuten wie Lucki oder Chief Keef kennt. Beide kommen auch auf dem Album zu Wort und liefern Alt-Rap-Schrägheiten, die Trippie gut stehen.
Wenn er also mit dem Albumtitel "Mansion" sagt, sollte man weniger eine Rick Ross-eske Luxusvilla mit Tigerfell und Kaminsims im Kopf haben, sondern eher Luigi's Mansion. Es hat diesen kleinen Dreh in Richtung Horrorcore, zumindest klingen die Beats oft eine Ecke verstrahlter und campiger, drehen dafür aber auch wirklich solide auf. Gerade die Solotracks haben oft eine Menge Feuer, die Detroit-Hommage "Free Rio" geht nach vorne, der eröffnende Titeltrack hat Dampf wie ein D-Zug, "Psycho" mit Future die wohl beste Hook des Tapes. "Krzy Train" mit dem aberwitzig cheesy gesampleten Metal-Riff hätte das Potential zum nächsten "Dark Knight Dummo" gehabt, wäre Travis Scott nicht mit einer schockierend lustlosen Performance aufgelaufen.
Das Ding ist: Trippie scheint panische Angst zu haben, dieses Mal nicht abschätzen zu können, was die nächste Welle sein wird und hat einfach alle Mitglieder der XXL Freshman-Class der letzten und nächsten fünf Jahre arrangiert. Er hat eigentlich ein solides Sound-Konzept und ein paar solide Vocal-Performances als Basis für "Mansion Musik" am Start, aber irgendwie doch Bammel, dass er auch im besten Fall nur ein minderes "Whole Lotta Red" abliefern könnte. Aber man kann sich nicht diese Horden an Features auf ein Tape einladen, wenn man sich nicht absolut sicher ist, dass sie alle Bock haben, ihr A-A-Game an den Start zu bringen. Und das tun sie einfach nicht. Deswegen wahrscheinlich bekommen wir stattdessen einfach Quantität von überall, kleine Inputs aus Detroit, aus Memphis (Big 30), junge Rager (Summrs, Fijimacintosh), Straßenrapper und Lil B. "Mansion Musik" ist wie ein Querschnitt durch den aktuellen Zustand der Rapszene; heterogen, an manchen Stellen vielversprechend, an manchen Stellen abgestanden, aber ohne eine durchschlagende, alles vereinende Richtung.
2 Kommentare
3/5.
Warum ist Big 14 nicht auf dem Album ? Das wäre locker der beste Track ! Wurde nur als Single veröffentlicht