laut.de-Kritik
Punk, Indie, Pop? Scheißegal!
Review von Andreas DittmannBedrohlich rumpeln die Trommeln, unruhig kratzt die E-Gitarre, tief am Boden grummelt der Bass. "Die ganze Stadt ist halber Schutt, komm reiß sie endlich ein", kommts dann aus den Boxen gekotzt. Turbostaat sind wieder da, und mit ihnen eine Platte voll düsterem Punk, melodiösem Indie und dreckigem Noise. Also alles wie immer? Fast.
Da sind natürlich die typischen Turbostaat-Songs "Eine Stadt Gibt Auf!", "Phobos Grunt" oder "Willenshalt", bei denen die verzerrten Gitarren stur ihre Achtel hinrotzen und sich Sänger Jan durch deprimierte und verwirrende Texte quält und singt. Songs, die trotz all der nordischen Melancholie und hörbarer Punkvergangenheit nur so vor Spielfreude, Energie und Kreativität strotzen.
In "Alles Bleibt Konfus", "Sohnemann Heinz" oder "Tut Es Doch Weh" herrschen dann die Melodien und aufgeweckte, offene Gitarren vor. Da darf dann auch mal die gesamte Band im Refrainchor ran und hängt die Discokugel auf. Indierock-Songs oder doch "waschechte Popnummern" wie es der Infozettel verspricht? Am Ende völlig egal, weil die Songs zwar eingängig, aber immer auch ehrlich und direkt sind.
Und dann sind da noch die anderen Turbostaat, die bewusst ihr Eigenbrötlertum zelebrieren. "Psychoreal" ist so ein Beispiel: Das Intro - wahllos zusammengesetzte schräge Gitarrennoten, das Solo - ein ausuferndes Noisechaos. "Sohnemann Zwei" spielt den Gegenpart zu "Sohnemann Heinz". Beklemmend düster klimpert die Band im Postcore, während Jan den Text spricht. Am Ende brechen sie aus, prügeln auf ihre Instrumente ein, beenden Song und Album mit Gebrüll: "Der Krieg ist nicht vorbei! / solange er sich lohnt!". Uff, was für ein Song.
Die Texte bleiben gewohnt verworren und verschwurbelt. Nicht immer geht es dabei so deprimiert und melancholisch zu wie in "Phobos Grunt" oder "Sohnemann Zwei". "Tut Es Noch Weh" hat, trotz des Titels, einen irgendwie optimistischen Grundton. "Es tut gar nicht weh / Und dann geht auch die Angst / Manchmal sollte man nicht glauben, dass das alles so gehört", singen sie am Ende und machen tatsächlich ein bisschen Mut.
In "Pestperle" lassen Turbostaat gar recht deutliche Worte in Richtung Frei.Wild los: "Freie Wilde in euren Hallen / Unterm Mantel die alte Idee / Sucht man weiter die Erben der Scheiße / Ich kann nur hoffen, ihr verendet dabei".
"Stadt Der Angst" ist ein großartiges Album einer unangepassten und sympathischen Band geworden.
5 Kommentare
Großartiges Album!
Zu Beginn sehr anstrengend (halt Turbostaat...), wird es von Runde zu Runde besser.
Mein Favorit: Fresendelf. Unglaublich düster und trotzdem optimistisch und schön.
einen wahnsinnig unbequemen sessel haben turbostaat da zusammengezimmert. schön anzusehen, aber wahnsinnig unbequem. aber er hat potential zur kuscheligen liege zu werden, wenn man ihn mal eingesessen hat.
turbostaat at its best!
wunderbares Album, klare Weiterentwicklung und trotzdem unverkennbar Turbostaat
der harte sessel ist inzwischen zur couch mit liegefunktion, getränkehalter und integrierter mikrowelle für popcorn und co geworden.
endlich mal wieder anständige musik hier