laut.de-Kritik

Chicagos schnellste Zunge schnalzt wieder.

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Chicagos schnellste Zunge schnalzt wieder. Gut so, immerhin sind seit "Slow Jamz" und "Overnight Celebrity" auch schon wieder knapp zwei Jahre ins Land gezogen. Das dazugehörige "Kamikaze" hat seinerseits den lang ignorierten Twista ins Rampenlicht jenseits der Grenzen Chicagos gebracht und ihm schließlich zu seinem verdienten Ruhm verholfen. Twista hat sich durch die Weltgeschichte gefeatured, wofür sich jetzt auf "The Day After" etliche Stars der Szene bedanken: Mariah Carey, Lil' Kim, Pharrell, Syleena Johnson, Snoop Dogg, Pitbull, Juvenile. Die Liste ist lang und verwundert eigentlich nur in einem Punkt. Wieso hat Kanye West für seinen langjährigen Kumpel keine 16 Zeilen, geschweige denn einen lumpigen Beat abgeliefert?

Die Antwort: Twista braucht mittlerweile nicht einmal mehr einen Kanye West, um hochwertige Songs zu schustern. Qualitativ hält "The Day After" spielend mit "Kamikaze" mit. Twistas Sound hat sich jedoch ein wenig mehr konzentriert, ist fokussierter geworden. Auf "Kamikaze" schmückte Twista mit seinem außergewöhnlichen Rap-Talent noch ganz verschiedene Instrumentals, die er quer aus dem Gemüsegarten zog. Auf "The Day After" hat alles ein wenig mehr Konzept.

Langeweile kommt deswegen aber bei weitem nicht auf. Der Grund dafür liegt vor allem darin: Twista ist bekannt dafür, dass er seine schnellen Raps auf jeden Beat platzieren kann. Was ihm bis jetzt immer angekreidet wurde, war die Unfähigkeit, sich auf einen Beat wirklich einzulassen. Es hieß, Twistas Reimsalven passen auf jedes Instrumental, man müsse nur die Geschwindigkeit anpassen, der Reimfluss bleibe aber stets der gleiche. Mit "The Day After" räumt Twista mit diesem Vorurteil ein für allemal auf. Twista rappt nämlich nicht nur verdammt schnell, sondern auch abwechslungsreich - jenseits jeglicher Monotonie.

Das Intro "The Day After" spannt den dramaturgischen Bogen mit Streichersätzen bereits so stramm, dass ihn lediglich die Soulstimme Syleena Johnsons wieder beruhigen kann - ein wahrlich opulenter Einstieg. Zwei Neptunes-Produktionen machen vor allem eines deutlich: Elektro-Spielereien aus Pharrells und Chad Hugos Star Trak-Universum gehen mit Twistas Reimen eine wunderbare Symbiose ein. Besonders dann, wenn Jamie Foxx auf "When I Get You Home" die Hook säuselt oder Pharrell bzw. sein rappendes Alter Ego Lil' Skateboard P sich an Double Rhyme-Passagen mehr als überzeugend versucht ("Lavish"). Verdammt, was kann dieser Kerl eigentlich nicht?

Im Jahr 2006 kann man natürlich den Sound des dreckigen Südens nicht ignorieren. Mit Juvenile hat sich Twista einen der Vertreter des Dirrty South ins Boot geholt. Das Ergebnis: Trademark-Bässe, Handclaps, simples Synthie-Gequietsche und der Beweis, dass der Dirty South mehr Einfluss auf die Hip Hop-Szene hat, als man es ihm gemeinhin zugestehen will. Getoppt wird das nur noch von einer neuen Schweinerei aus dem Hause Mr.Collipark. Der Produzent, der eigentlich an den lockeren Schrauben der Ying Yang Twins dreht, feiert Karneval in Rio auf die Crunk-Art, während sich Pitbull und Twista auf diesem musikalischen Tohuwabohu keine Blöße geben ("Hit The Floor"). Apropos Dirty South: Die Idee, Twista mit Hilfe einer Chopped & Screwed-Version in Zaum zu halten ("Holding Down The Game"), ist nicht nur genial, sondern auch verdammt ansprechend. Wenn überhaupt jemand nämlich eine ordentliche Pulle Sizzurp nötig hat, dann der schnellste Rapper der Welt.

Weitere Highlights: Das unverschämt käsige "Had To Call" mit großartiger Einschlaf-Hook von Sleepy Eyed Jones und 16 Zeilen des Königs der überheblichen Trantüten Snoop Dogg - so fühlt es sich wohl an, total prall auf Hawaii am Strand zu liegen. Außerdem "So Lonely" - Herzschmerz mit Mariah Carey, die bereits mit ihrem Album gezeigt hat, dass mit ihr wieder zu rechnen ist. Und wer will bitte diese zerbrechlichen Oktaven nicht in den Arm nehmen, um gemeinsam zu Glockenspiel-Klängen im lockeren Beat zu wiegen?

Wer hätte gedacht, dass Twista auf dem neuen Longplayer tatsächlich das Niveau von "Kamikaze" halten kann? Umso erfreulicher, dass das rappende Maschinengewehr sogar an sich gearbeitet hat und sich in Sachen Versatilität gesteigert hat. Und das ganz ohne Jahrhundert-Singles wie "Slow Jamz" oder "Overnight Celebrity". Eine wahre Freude!

Trackliste

  1. 1. The Day After
  2. 2. Check That H**
  3. 3. Chocolate Fe's And Rebones
  4. 4. Get It How You Live
  5. 5. Lavish
  6. 6. Girl Tonite
  7. 7. Do Wrong
  8. 8. Heartbeat
  9. 9. Holding Down The Game
  10. 10. When I Get You Home (A.I.O.U.)
  11. 11. So Lonely
  12. 12. Had To Call
  13. 13. Out Here
  14. 14. I'm A Winner
  15. 15. Hit The Floor

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