laut.de-Kritik
Gebt ihm einfach eine Krone.
Review von Dani FrommDie Vorab-Single stellte die Frage in den Raum: "Wer" "... ist dieser Junge, der so flext?" Wem dieser Track noch nicht Antwort genug geliefert hat, dem helfen gleich die ersten Takte der "Corner EP" auf die Sprünge: "Ulysse!" Alles klar, weißte Bescheid. Wer sich jetzt umdreht und geht, verpasst zwar keine bisher unerforschten Themenwelten, wohl aber ein gelungenes, weil durch und durch authentisches Stückchen Straßenrap.
Inhaltlich sticht Ulysse kein neues Fass an. Sich selbst kategorisiert er in knappen Worten: "Hautfarbe: schwarz. Herkunft: aus Kamerun" Darüber hinaus ist er aber natürlich durch und durch ein Sohn seiner Heimatstadt Karlsruhe, und im "mattgrauen Dschungel" seines Viertels "zwischen Hochhäusern, Armut und Regen" geht es zu, wie vermutlich in jedem anderen Nicht-Nobel-Kiez in jeder anderen deutschen Stadt.
"Die Jugend ist am Arsch", "was uns fehlte, waren Väter." Das Geld ist chronisch knapp, also drängt ständig die Frage: "Wie kommt ein schwarzer Mann an Bares?" Ulysse hält dafür die üblichen Antworten parat, zunächst kleine Gaunereien, dann: "Rappen ist mein Ausweg." Das ist, wie gesagt, alles überhaupt nicht neu, hätte also locker das Potenzial dafür, bocklangweilig zu geraten. Davon bleibt diese "Corner EP" aber weit - weit! - entfernt. Warum?
Nun, Ulysses Hoodreportagen wirken völlig unromantisch, es findet keinerlei Verklärung statt. Aus Not geborene Missetaten bläst er nicht zum angeblich glamourösen Gangster-Lifestyle auf, die Grastickerei an der Straßenecke nicht mindestens zur Vorstufe eines international operierenden Drogenkartells, womit sich andere Kollegen ja gerne mal lächerlich machen.
Damit erscheint Ulysse echter, ehrlicher und glaubwürdiger als weite Teile seiner Konkurrenz, um Welten sympathischer wirkt er ohnehin. "Hab' 'nen angenehmen Ton, doch ich rede nicht mit jedem": ein weiser Entschluss.
Karlsruhes Grenznähe macht sich bemerkbar: Immer wieder streut Ulysse französische Vokabeln ein. In "Zukunft" schlägt er die Brücke vom Südwesten zum Hamburger Kiez und heißt Nate57 als Featuregast willkommen. Die gemeinsame, auch nicht ganz neue (deswegen nicht weniger richtige) Erkenntnis: "Vertrauen ist wie Gold."
"Bring' den Corner-Rap von früher in dein Ohr": Kaum ausgesprochen, hat er dieses Versprechen auch schon eingelöst. Locker-fluffig und vollkommen unangestrengt flowt Ulysse über die meist düsteren, verspulten, atmosphärischen Beats.
Erst gegen Ende kippt die zunächst leise gespenstische Stimmung, wenn am "Sonntag" satter Bass wohlige, sonnendurchflutete Wärme verbreitet. Auch der Straßenjunge darf am siebten Tag offenbar ruhen und gepflegt einen durchziehen.
"Ulysse weiß, dass die Krone ihm steht." Sein Auftritt auf dem nostalgischen Klimperbeat in "Wer" hat längst bewiesen, dass mehr als eitler Größenwahn hinter dieser gut gelaunten Behauptung steckt. Gebt ihm doch einfach eine - dann kriegen wir vielleicht auch ein Album in voller Länge zurück.
3 Kommentare
Ulysse wischt mit den lustigen Gangsta D-Rappern den Boden. Vier Jahre im Internat für Schwererziehbare im Elsass hätte Gzuz und Konsorten vielleicht auch gut getan.
EP 4/5
sheesh, fresh ohne Ende! Kannte den Boy gar nicht.
Sheesh, brutal fresh! Kannte den Boy gar nicht. Gerne mehr!